Parkeisenbahnen aktuell
Die Stuttgarter Killesbergbahn ist 80
Die Parkeisenbahn auf dem Stuttgarter Killesberg feierte in diesem Jahr ihr 80. Jubiläum. Bei der Killesbergbahn handelt es sich um eine „Institution“ in Baden-Württembergs Landeshauptstadt. Es gibt wohl kein Stuttgarter Familienalbum, in dem nicht mindestens ein Bild der Parkeisenbahn enthalten ist. Gebaut wurde die Bahn für die am 22. April eröffnete Reichsgartenschau 1939. Eigentlich hätte diese bis zum 3. Oktober 1939 gehen sollen, mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs endete sie jedoch abrupt am 2. September 1939. Offiziell fuhr die Parkeisenbahn nach diesem Tag nicht mehr, sporadisch sollen aber noch bis 1941 einzelne Fahrten stattgefunden haben. Während des Krieges wurde die 381-mm-Strecke nicht abgebaut, auch die Wagen blieben in Stuttgart, nur drei der vier Dampfloks wurden von ihrem Eigentümer – der Firma Brangsch aus Leipzig – abtransportiert. Während die vierte Lok in Stuttgart vermutlich im Krieg zerstört wurde, kamen die drei anderen nach 1945 zu den Pioniereisenbahnen in Dresden und Leipzig. In Stuttgart gab es für die Bundesgartenschau 1950 auf dem Killesberg zwar Gleise und Wagen, aber es fehlte an Lokomotiven. Daher lieferte die Firma Krauss-Maffei am 30. Mai 1950 die Dampflokomotive „Tazzelwurm“ mit der Fabriknummer 17674 und Ende Juni 1950 die Dampflokomotive „Springerle“ mit der Fabriknummer 17675 werksneu nach Stuttgart. Bei diesen beiden Liliputlokomotiven handelte es sich um Nachbauten der Martens’schen Parkbahnlokomotiven aus den 1930er Jahren. Bis auf wenige Details waren diese „Neubauloks“ identisch mit den Lokomotiven von 1939. Außerdem steuerte Gmeinder im Mai 1950 mit der „Blitzschwoab“ eine zweiachsige Diesellok (Fabriknummer 4610) bei. Das war die einzige von Gmeinder gebaute 381-mm-Lok. Mit diesen drei Lokomotiven bestritt man in Stuttgart auch die Bundesgartenschau 1961. Anlässlich der Internationalen Gartenbauausstellung (IGA) im Jahr 1993 gab es die nächste Veränderung im Fahrzeugpark: Mit der „Schwoabapfeil“ (Diema 1992/5198) traf eine zweite Diesellok bei der Parkbahn in Stuttgart ein. Bei der bisher letzten Triebfahrzeugneuerwerbung am Killesberg handelt es sich um die Dampflok „Santa Maria“ (Krauss 1929/8455), sie kam 2014 aus Spanien nach Stuttgart und wird seit 2016 bei besonderen Anlässen eingesetzt. Die „Santa Maria“ gilt als die Starlok der Killesbergbahn. Obwohl sie sich die kürzeste Zeit in Stuttgart befindet, ist sie die älteste Lok im Fuhrpark.
Ab Mitte der 1990er Jahre war der Fortbestand der Killesbergbahn unklar. Die Messegesellschaft hatte mit dem Umzug auf die Fildern und der Aufgabe des Messegeländes auf dem Killesberg kein Interesse mehr an der Parkeisenbahn. Der erste Schritt zum langfristigen Erhalt war die Gründung eines Fördervereines im Jahre 1994. Zum Jahreswechsel 2007 wurde die Bahn von der Messegesellschaft an die Stadt Stuttgart übergeben, die sie erst einmal dem Garten- und Friedhofsamt zuordnete. Seit 2011 befindet sich die Killesbergbahn im Besitz der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB). Diese hat auch die Betriebsführung der Bahn inne. Mit dieser Konstellation ist ein langfristiger Erhalt dieser Parkeisenbahn gesichert. Das 80-jährige Bestehen der Killesbergbahn wurde am 6. und 7. Juli 2019 mit einem großen Dampflokfest gefeiert. An beiden Tagen gab es einen Dreizugbetrieb mit einem Rahmenprogramm. Eigens für das Fest war am Höhenweg ein Haltepunkt eingerichtet worden, denn normalerweise kann man nur am Bahnhof Killesberg einsteigen. Durch die so erreichte Zweiteilung der Strecke war es möglich, dass immer zwei Züge unterwegs waren, während am Bahnhof Killesberg der dritte Zug wartete. Zum Einsatz kamen die Dampfloks „Santa Maria“ und „Tazzelwurm“ sowie die Diesellok „Blitzschwoab“. Da die „Santa Maria“ etwas leistungsschwächer als die beiden anderen Dampfloks ist, war sie nur mit vier Wagen im Einsatz. Der „Tazzelwurm“ und der „Blitzschwoab“ zogen jeweils fünf Wagen, womit sich der gesamte Personenwagenpark im Einsatz befand. Am Bahnhof Killesberg informierte der Verein Freunde und Förderer der Killesbergbahn e. V. (Uhlandstraße 70, 70736 Fellbach, www.foerderverein-killesbergbahn.de) über seine Ziele. Auch eine kleine Musikkapelle, die Stuttgarter Straßenbahnen AG und eine Minidampfbahn waren dort vertreten. Ab dem Schlossplatz konnte man den Weg zum Killesberg mit historischen Bussen der SSB zurücklegen. Für diejenigen, die noch mehr Dampf schnuppern wollten, war der Lokschuppen am Höhenweg das richtige Ziel. Dort drehten mehrere Miniatur-Dampftraktoren ihre Runden. Auch verschiedene Dampfmaschinen und Modelleisenbahnen waren zu sehen. Beachtenswert war das Modell der Dampflok „Tazzelwurm“ des Freiburgers Wolfgang Wiegand. Am Rande und damit eher wenig beachtet stand die zweite Diesellok „Schwoabapfeil“, die inzwischen – passend zu der Garnitur von fünf in der ursprünglichen Farbgebung beige-rot lackierten Personenwagen – in roter Farbgebung erstrahlt. Hinter ihr stand das neueste Fahrzeug der Killesbergbahn: ein vierachsiger gedeckter Güterwagen. Dieser wurde unter Verwendung der Fahrgestelle eines früheren Werbewagens neu aufgebaut und ist so neu, dass er es nicht einmal mehr in die im PK 170 auf Seite 50 vorgestellte Jubiläumsschrift schaffte. Das Wetter spielte mit und so waren die Züge stets voll besetzt und die Warteschlange am Bahnhof Killesberg zeitweise beachtlich lang. Übrigens: Die Killesbergbahn war nicht die erste Liliputbahn in Stuttgart. Im Affenparadies, einem früheren Vergnügungspark am Kochenhof – ganz in der Nähe des Killesberges, verkehrte von 1928 bis 1932 eine Parkeisenbahn. Dabei handelte es sich um eine sehr einfache Bahn, die aus einem Gleisoval bestand, auf dem eine Dampflok mit drei Wagen verkehrte – wie bei einer Modellbahnstartpackung. Nach Schließung des Affenparadieses wurde diese Bahn abgebaut und 1936 auf dem Gelände des Waldheimes Raichberg im Stuttgarter Osten aufgebaut. Dort befand sie sich 1937 und 1938 als Raichbergbahn in Betrieb. Als Zuglok kam auf diesen beiden Bahnen eine B-gekuppelte Dampflok mit Schlepptender zum Einsatz. Diese von der Firma Krauss und Co. in München gebaute Maschine trug ab 1936 den Namen „Schwarzer Otto“. Im Jahr 1949 wurde diese Lok auf dem Killesberg mit den dort verbliebenen Wagen von 1939 eingesetzt, allerdings war der B-Kuppler für die dortige steigungsreiche Strecke zu schwach. Als 1950 die beiden Dampfloks „Tazzelwurm“ und „Springerle“ zur Verfügung standen, wanderte die kleine Dampflok in den Schrott. Von diesem Krauss-Dampfloktyp wurden drei Exemplare gebaut, eine Lok davon ist bei der Romney, Hythe and Dymchurch Railway in Großbritannien (in der Nähe von Dover) erhalten und hört auf den Namen „The Bug“ (übersetzt „Die Wanze“).
Wer mehr über die spannende Geschichte der Stuttgarter Liliputbahnen (Killesbergbahn, Affenparkbahn und Raichbergbahn) erfahren möchte, dem sei das Buch von Andreas Pucka „80 Jahre Killesbergbahn“ (ISBN 978-3-9811082-8-6) ans Herz gelegt, das die SSB zum Jubiläum herausgegeben hat und bereits im vorigen PK vorgestellt war.
Quellen
• Andreas Pucka, 80 Jahre Killesbergbahn, SSB 2019 • Andreas Pucka, Liliputbahnen in Stuttgart, SSB 2014 • Official Guidebook Romney, Hythe and Dymchurch Railway, RH & DR 2016 • Gerhard und Ursula Arndt: Pionier- und Ausstellungsbahnen, transpress 1981 • Gerhard und Ursula Arndt: Liliputbahnen in Parks und Gärten, transpress 1998 • Thomas Stegmüller und Stefan Singert: Faszination Killesbergbahn, SSB 2014 • Rudolf Mickel: Gmeinder-Lokomotiven, EK-Verlag 2004 • Andreas Pucka und Thomas Jacob, Liliput-Loks – die Geschichte der Martensschen Einheitsloks, Dresdner Parkeisenbahn 1995 • www.ssb-ag.de/erleben/killesbergbahn • https://de.wikipedia.org/wiki/Killesbergbahn_Stuttgart
Korrektur
In die Rezension der Festbroschüre „80 Jahre Killesbergbahn“ hat sich im PK 170 auf Seite 50 ein Fehler eingeschlichen – die Parkbahn verfügt aktuell natürlich über drei, nicht nur über zwei Dampflokomotiven (red/André Marks)
11.12.2019