Verkehrs-Geschichte
Die Geschichte des Bahnbetriebswerkes Pockau-Lengefeld (Teil 2 – ab 1945)
Nach Kriegsende 1945 wuchs der Personalbestand des Bw Pockau-Lengefeld durch vertriebene Eisenbahner, vor allem aus dem Sudetenland, stark an. In der Werkstatt wurden daraufhin sogar sogenannte Zwischenausbesserungen (L 2) an Lokomotiven der Baureihe 86 vorgenommen. Diese Ausbesserungsstufe fand regulär nur in Reichsbahnausbesserungswerken statt. Doch so erhielt auch die knapp drei Jahrzehnte später als Heizlok nach Pockau-Lengefeld verfügte 86 049 vom 5. Oktober bis zum 3. Dezember 1952 in diesem Bw eine Schadgruppe L 2. In den 1950erJahren beheimatete die Rbd Dresden auch Schlepptenderlokomotiven der Baureihe 58 im Bw Pockau-Lengefeld. Hiesige Personale leisteten mit diesen Maschinen unter anderem den Schiebedienst auf der Linie Dresden – Werdau von Flöha nach Oederan. Der Planbedarf an diesen Loks betrug vier Stück. In einem gemeinsamen Umlauf bedienten zwei davon die Hauptlast des Güterverkehres zwischen Chemnitz-Hilbersdorf und Pockau-Lengefeld, während die beiden anderen den besagten Schiebedienst auf dem Abschnitt der DW-Linie übernahmen. Neben den vier Lokomotiven aus der G12-Familie befanden sich auch zwölf Maschinen der Baureihe 86 im Planbedarf, so dass mit den notwendigen Reservemaschinen eine stattliche Anzahl an Dampflokomotiven vorhanden war und man von der „Blütezeit“ des Bw Pockau-Lengefeld sprechen kann.
Als der Traktionswechsel, die Ablösung der Dampf- durch Diesellokomotiven, abzusehen war, löste die Rbd Dresden das Bw Pockau-Lengefeld zum 31. Dezember 1965 organisatorisch auf und unterstellte es als Lokomotiveinsatzstelle dem Bw Karl-Marx-Stadt-Hilbersdorf. Die relativ große Lokwerkstatt mit ihren vielen Mitarbeitern wurde daraufhin umstrukturiert, sie nannte sich fortan „Zentralwerkstatt Pockau-Lengefeld“. Die Eisenbahner bauten dort Rationalisierungsmittel für die Maschinenwirtschaft der Deutschen Reichsbahn. Ein spektakulärer Großauftrag war die Fertigung der Lokomotiv-Nummernschilder für das 1970 eingeführte datenverarbeitungsgerechte Nummernsystem – umgangssprachlich „EDV-Nummern“ genannt. Wer bei einem Spaziergang durch den Stadtteil Pockau darauf achtet, der findet auch heute noch viele Hausnummern aus den 1970 eingeführten Aluminium-Ziffern, die im Bw Pockau-Lengefeld für alle Reichsbahndirektionen in der DDR auf Blechschilder genietet worden waren. Damit waren ab 1966 zwei Dienststellen im ehemaligen Bw Pockau-Lengefeld untergebracht: die Zentralwerkstatt (ZW) und die Triebfahrzeug-Einsatzstelle (TE). Änderte sich in den ersten Jahren nach dieser Umstrukturierung beim Lokeinsatz relativ wenig, so ging der Traktionswandel zu Beginn der 1970er Jahre in Pockau-Lengefeld sehr schnell. Der 86er-Einsatz war etwa 1973 schon Geschichte. Eine Ausnahme stellten Lokomotiven dieser Baureihe für Heizzwecke dar, denn der Ausbau der Zentralwerkstatt erforderte eine Zentralheizung, was Heizloks übernahmen. Bis zum Eintreffen der 86 049 im Jahr 1978 sollen das wohl einige mehr oder weniger „abgefahrene“ Loks vom Bw Aue gewesen sein. Ein Bildnachweis von 86 727 existiert seit Kurzem im Internet. Als die Baureihe 50 Anfang der 1970er Jahre im Bw Karl-Marx-Stadt die Baureihe 58 abgelöst hatte, hielt sich eine 50er in Pockau-Lengefeld für einen „Alte-Herren-Plan“. Eine bekannte Nummer und „geliebte“ Lok war die 50 3127, weil diese ÜK-50er ein geschlossenes Führerhaus besaß. Den ersten „Dampfabschied“ gab es in Pockau-Lengefeld am 26. September 1976. Die letzten Leistungen hatte zuvor die Lok 50 1343 erbracht. Neben den vielen Planloks der Baureihe 110 erschienen nun auch Exemplare der Baureihe 1182–3, die 118 221 kam bis 1979/80 von hier zum Einatz. Dass mit Pockauer Personal ab dem 1. Dezember 1981 bis Ende 1985 nochmals eine Dampflok der Baureihe 50 besetzt werden würde, hätte zum ersten Dampfabschied 1976 niemand gedacht. Den Anfang machte Ende 1981 die 50 2407, welche aber wegen des 28er „Rheuma-Tenders“ schon nach einigen Tagen gegen die 50 3633 eingetauscht wurde. Weitere Planloks waren bis 1985 die 50 3659, 50 3698 und 50 3655. An dieser Stelle sei kurz erwähnt, dass die Pockauer 50er im Umlauf des Dienstplanes 68 von 1983 bis 1985 nachweislich „die 50er“ der Rbd Dresden mit der größten Kilometer-Leistung war. Die betreffenden Maschinen fuhren stellenweise mehr als 7000 km zwischen den 30-tägigen Auswaschfristen. Fotogen war der Pockauer Umlauf nicht, denn mit Schornstein voran kam nur der nachmittägliche N 64325 infrage. Da es von Flöha bis Pockau keine offizielle Talstraße gibt, war die Fotoausbeute infolge fehlender Möglichkeiten von vornherein stark eingeschränkt. So sind Aufnahmen dieser letzten Dampfperiode eher rar.
Anlässlich des Jubiläums „150 Jahre erste deutsche Ferneisenbahn“ wurde auch die Pockauer Heizlok 86 049 für ein Bild auserkoren. Dazu erhielt sie im Frühjahr 1989 in Karl-Marx-Stadt eine neue Lackierung. Auf diese Weise optisch auf Vordermann gebracht, zog sie am 8. April 1989 die nicht betriebsfähige Lok 80 023 zur Parade in Riesa als Bild 12. Während der Abwesenheit der 86er vertrat sie von März bis Anfang April 1989 die heutige Museumslokomotive 50 3616 des VSE als Heizlok, da diese damals noch in der Einsatzstelle Hilbersdorf des Bw Karl-Marx-Stadt beheimatet war. Das Ende des Bw Pockau-Lengefeld ist relativ schnell erzählt, denn mit der politischen Wende brach alsbald der Schienengüterverkehr auch im Erzgebirge zusammen. Der Rationalisierungsmittelbau der ZW wurde ebenfalls nicht mehr benötigt, denn Rationalisierung bestand nun hauptsächlich aus Personalabbau.
Am Tag des Fristablaufes – am 29. November 1991 – überführte der Verfasser dieses Beitrages die Dampflok 86 049 nach Chemnitz-Hilbersdorf und sah das Feuer erlöschen … Nach einigen „Querelen“ auf Verwaltungsebene und einem kurzzeitigen Einsatz von 86 001 als Heizlok, von dem es fast keine Aufnahmen gibt, kam die Lok 86 333 zum Heizen nach Pockau-Lengefeld. Mit dieser Maschine wurde im Dezember 1992 ein kleiner, aber feiner Plandampf veranstaltet, der aber wegen schlechten Wetters wenig Resonanz fand. Dafür setzte der Filmer Joachim Schmidt im März 1993 mit den Loks 86 333 als 86 411, 58 261 als 58 408 und 58 311 als 58 1994 das Pockauer Bahnbetriebswerk nochmals würdig in Szene. Mit den Video-Filmen „Meister Helmut und sein großes Dampfroß“ sowie mit „58 408 – die G12 im Sachsenland“ entstanden Film-Werke für die Ewigkeit.
Ebenfalls im Jahr 1993 erhielten das Hauptgebäude und die Kantine Erdgaszentralheizungen. Nach deren Inbetriebnahme war es wieder er Verfasser, der mit 86 333 die letzte Heizlok am 8. Mai 1993 nach Chemnitz-Hilbersdorf überführte und damit eine Epoche beendete. Investitionen bedeuteten damals paradoxerweise nichts Gutes und nach Fertigstellung der neuen Heizung kamen schnell Gerüchte zur Schließung auf. Die Lokführer zogen im Sommer 1995 in einen Flachbau auf den Bahnhof Pockau-Lengefeld um; die Einsatzdisposition erfolgte von Chemnitz aus und die Fahrzeuge standen auf den Hauptgleisen des Bahnhofes. Die restliche Belegschaft der ehemaligen ZW zog ebenfalls im Jahr 1995 aus und fand im großen Fahrzeugwerk Chemnitz ein neues Domizil. Im Herbst des Jahres 1998 wurden wegen eines „Inselbetriebes“ auf Grund einer Streckensperrung zwei Lokomotiven der Baureihe 219 im Gelände des ehemaligen Bw stationiert und gewartet. Dafür erfolgte letztmalig ein Freischnitt der Gleise. Die bisher letzte Nutzung der Betriebsanlagen fand am 9. April 2001 statt. An diesem Tag holte die Chemnitzer Lok 50 3648 die in den Jahren zuvor in Olbernhau-Grünthal abgestellte Lok 52 8068 nach Hilbersdorf ab. Den Untersuchungskanal in Pockau-Lengefeld nutzte man zum Abölen der Achsen der Reko-52. Mit dem Umbau des Bahnhofes Pockau-Lengefeld durch die DB-Erzgebirgsbahn wurden alle Gleisverbindungen zum Bw gekappt. Die Anlagen fielen in den sprichwörtlichen „Dornröschenschlaf“, der fast bis zum Ende des Jahres 2017 andauerte. Am 17. November 2017 erwarb – wie im PK 161 auf den Seiten 22/23 berichtet – die PRESS das ehemalige Bw Pockau-Lengefeld. Bereits wenige Tage später begann der Freischnitt der Anlagen. Über den Stand der Reaktivierung der Gebäude und Gleise wird in einem der folgenden Ausgaben des PK berichtet.
Literaturtipp: Stefan Häupel: „Die Eisenbahn im Flöhatal und ihre regelspurigen Nebenstrecken“, Bildverlag Böttger, Witzschdorf 2008; als Neuware vergriffen, aber antiquarisch erhältlich
12.06.2018