Eisenbahn-Technik
Zwei- und mehrspurige Gleise
Beim Aufeinandertreffen von Gleisanlagen verschiedener Spur müssen Gleise unterschiedlicher Spurweiten voneinander nicht getrennt sein. So sind für zweispurige Gleise drei- oder vierschienige Gleiskonstruktionen bekannt, davon abgeleitet auch drei- oder vierschienige Weichenkonstruktionen. Aus wirtschaftlichen Gründen wird dabei dem Drei-Schienen-Gleis der Vorzug gegeben. Auch läßt sich beim Drei-Schienen-Gleis die Anzahl von Fahrkantenunterbrechungen der Weichen in Grenzen halten, und wenn schon erforderlich, dann mit größeren Abzweig- bzw. Kreuzungswinkeln ausführen, als es beim Vier-Schienen-Gleis der Fall ist. Aber warum wird überhaupt in drei- oder vierschienige Konstruktionen unterschieden? Es liegt am Raumbedarf der Fahrzeuge, den sie bei Einhaltung der Fahrzeugbegrenzungslinien auch tatsächlich ausschöpfen, und an den zu beachtenden Lichtraumverhältnissen. Ursprünglich wurde grundsätzlich die schmalere Spurweite im gemeinsamen Gleis mit einer dritten Schiene hergestellt. Da Schmalspurfahrzeuge gewöhnlich auch schmaler sind als regelspurige, wird der Raumbedarf der regelspurigen Fahrzeuge von den schmalspurigen Fahrzeugen auch nicht überschritten, und das trotz der außermittigen Lage der Schmalspur im gemeinsamen Gleis. So ist es in vielen Fällen des nachträglichen Einrichtens des Schmalspurbetriebs geschehen, z. B. auf der bis zum Jahre 1886 als PH-Linie bezeichneten Strecke zwischen Potschappel und der der Abzweigstelle zum Niederhermsdorfer Albertschacht bzw. nach Wilsdruff oder für die Preßnitztalbahn zwischen dem Bahnhof Wolkenstein und Abzw km 1,930 WJ. ebenso bei der Lagewechsel der dritten Schiene, hier im Bf Wolkenstein (1977), stets zungenlos und mit innenliegenden Radlenkern für die Schmalspur und außenliegenden für die Regelspur.
Verlängerung des Rasenden Rolands über den Bf Putbus hinaus bis zur Rügener Südküste in Lauterbach
Problematisch wird es aber dann, wenn auf der Schmalspur regelspurige Fahrzeuge im Huckepack (Rollbock/Rollwagen) mitgenommen werden. Deren Raumbedarf ist dann nicht mehr im gemeinsamen Gleis ein symmetrischer, sondern um die Differenz der Gleisachsen beider Spurweiten versetzt. Bei 1435/750-mm-Gleisen immerhin 342,5 mm. Auf der freien Strecke ließ sich so etwas eher realisieren, meist mit Randwegverbreiterung und Versetzen der Signal- und Fernsprechmaste. Gebäude und Ingenieurbauwerke sind aber Zwangspunkte, die – einmal zu „unpassender Zeit“ gebaut – einem erweiterten Raumbedarf entgegenstehen. Das war so beim Einführen der schmaleren Spurweite über die Muldebrücke zwischen Döbeln Hbf und Großbauchlitz der Fall, deshalb dort die Anwendung eines Vier-Schienen-Gleises. Gleiches gilt noch heute für das zweispurige Streckengleis im südböhmischen Neuhaus/Jindřichův Hradec (ČD) oder zwischen Luzern und Horw (Schweizerische Zentralbahn). In beiden Fällen sogar mit extra hoher Fahrdrahtlage für die elektrische Traktion, damit noch ausreichend Schutzabstand bis zur Oberkante aufgebockter Regelspurgüterwagen besteht.
Unter gleichen Bedingungen mußte ebenfalls der unterschiedliche Raumbedarf bei einer zweispurigen Straßenbahn beachtet werden. Die Deubener Güterbahn ist als meterspurige Verbindung zwischen dem ehemaligen sächsischen Staatsbahnnetz und den beiden (Freital-) Deubener Unternehmen Lederfabrik und Egermühle bekannt, auch wenn die Deubener Güterbahn, die beiden Unternehmen und der Schienenverkehr auf Freitals Straßen längst Geschichte sind. Die Güterbahn sollte als Mittel der Wirtschaftsförderung in allen Gemeinden des Plauenschen Grundes zwischen Potschappel und Hainsberg wirksam werden. Hierzu erhielten die Streckengleise der Plauenschen Grundbahn (Straßenbahn in Dresdner Stadt-spurweite 1450 mm) eine dritte (Rillen-) Schiene. Um den Raumbedarf von Straßenbahn- und Güterbahn so minimal wie möglich zu halten, war als gemeinsam zu nutzende Schiene der zweigleisigen Abschnitte jeweils die gleisäußere Schiene vereinbart. Das führte bei Gleisverbindungen zu interessanten Spurverschwenkungen, die tatsächlich auch eingebaut wurden. Solche Spurverschwenkungen mußten auch beim Übergang von Ein- auf Zweigleisigkeit eingebaut sein, konnten da aber als zungenlose Konstruktion ausgebildet sein.
In Gleisen des öffentlichen Bahnbetriebs sind wohl nur zweispurige Gleise bekannt. Daß sich auch drei- und mehrspurige Gleise realisieren lassen, zeigt ein Probefahrtgleis im Dampflokwerk Meiningen, dort vor Jahren sogar mit Zahnstangenlamellen ausgerüstet, als das Werk für die Dampfbahn Furka-Bergstrecke die historische Zahnradlok zu neuem Leben erweckte. Der Spurunterschied muß aber in allen Fällen so groß sein, daß sich separate Fahrschienen anordnen lassen, inkl. erforderlicher freier Rillenweite zu benachbarten Konstruktionen mit ausreichend Platz für die Schienenbefestigung. Zwischen der Regelspur und der 1000-mm-Schmalspur und kleiner ist das kein Problem. Bei der Differenz zwischen der Regelspur und 1524/1520-mm-Breitspur ist dies aber nicht mehr der Fall. Deshalb werden zweispurige Gleise in dieser Kombination als Zweischienengleise in Breitspur hergestellt und Gleis im DB-Werk Meiningen, hier noch mit Zahnstange für Probefahrten der Dampflok der Furka-Bergstrecke (2002). Heute bilden sechs Schienen die Spurweiten 1435, 1000, 900 und 750 mm mit Leitschienen ergänzt, die regelspurige Fahrzeuge mittig im Gleis halten. Die Mindestbreite der Radlauffläche der regelspurigen Fahrzeuge ver¬hindert auch bei größtem zugelassenem Gleisverschleiß eine Betriebsgefahr.
Vereinigungs-/Trennungsweichen
Werden Gleise unterschiedlicher Spurweiten vereinigt, so werden diese Weichen wegen des alternativlosen Fahrwegs beider Spurweiten ohne Zungen ausgebildet. Im Übrigen gilt das Gleiche für den Links-rechts-Spurwechsel innerhalb eines Drei-Schienen-Gleises. Wenn schon ohne Zungen, so kommen Gleis- und Weichenkonstruktionen des offenen Oberbaus mit Vignolschienen in diesem Falle aber nicht ohne Radlenker aus. Um beim größten erlaubten Verschleißzustand eines Radsatzes Fehlführungen definitiv auszuschließen, müssen neben innenliegenden Radlenkern auch sogar außenliegende vorhanden sein. Vereinigungs- bzw. Trennungsweichen des geschlossenen Oberbaus mit Rillenschienen besitzen an Stelle der Radlenker lediglich Schienenabschnitte mit reduzierter Rillenweite.
Gemischtspurige Weichen
Gemischtspurige Weichen sind in allen Kombinationen der durchgebundenen Spurweite(n) im Stamm- und/oder Zweiggleis bekannt und bereiten keine unlösbaren Schwierigkeiten, auch wenn die Konstruktionen kompliziert und zuweilen gewöhnungsbedürftig aussehen. Je nach Größe des Zweiggleisradius, des Weichenwinkels und der zu betrachtenden Radreifengeometrie kommt man im Herzstückbereich nicht immer mit starren Konstruktionen aus und muß auf bewegliche Herzstückspitzen oder bewegliche Flügelschienen ausweichen. Wird eine der beiden Spurweiten im Stamm- oder Zweiggleis nicht fortgeführt, muß sichergestellt werden, daß bei unpassender Weichenstellung keine Betriebsgefährdung stattfindet. So sind neben den regulären Weichensignalen entsprechende Zusatztafeln bzw. -schilder angebracht, die das Betriebspersonal darauf aufmerksam machen.
Gemischtspurige Zwei-System-Weichen
Besonders interessant ist es unter jenen Bedingungen, wenn bei gemischt¬spurigen Weichen zugleich auch Schienenfahrzeuge mit ganz erheblich unterschiedlichen Radsatzgeometrien aufeinander treffen. Dies ist z. B. in Zwickau zwischen den Haltestellen Zentrum und Stadthalle der Fall, einem Bahnkörper mit Drei-Schienen-Gleisen, der von der 1000-mm-Straßenbahn (BOStrab-Radsatz) und der regelspurigen Vogtlandbahn (EBO-Radsatz) befahren wird. Herzstücke, die nur von einem Spursystem befahren werden, sind dort starre Konstruktionen, während ansonsten bewegliche notwendig sind. Daß man unter diesen Bedingungen den gesamten Bahnkörper als eingedeckten Oberbau ausführte, um Straßeneinsatzfahrzeugen das Befahren zu gestatten, erhöhte den Ingenieur- und Fertigungsanspruch an die Weichenkonstruktionen und offenbarte das technisch Mögliche. Ob dies kostendeckend zu betreiben ist, das mag dahingestellt sein.
22.06.2010