Rettet die Bahnzeit!
Öffentliche Wahrnehmung steigt - Bewegung beim MDR erkennbar
Auch ohne sensationsheischende Polemik ist es in den Monaten April und Mai gelungen, das Anliegen der Aktion „Rettet die Bahnzeit“ einer breiteren Öffentlichkeit bekanntzumachen.
Die gemeinsam von den Herausgebern und Chefredakteuren der Zeitschriften „Der Preß´-Kurier“ und „Dampfbahn-Magazin“ initiierte Zuschaueraktion gegen die Einstellung der beliebten Sendereihe „MDR-Bahnzeit“ wird von mehreren Tausend Zuschauern unterstützt. Die auf der Aktionsseite www.rettet-die-bahnzeit.de deutlich gewordene große Breitenwirkung des Protestes ist inzwischen auch bei den verantwortlichen Politikern angekommen – zumindest im Freistaat Sachsen. Verschiedene Äußerungen von Vertretern politischer Parteien und Verbände lassen diesen Schluß zu. Erste Anzeichen von Bewegung zu dem Thema „Eisenbahn im Fernsehen“ sind auch beim MDR zu erkennen, geradezu unheimlich wurde die Präsenz ja zu Ostern und Pfingsten.
Zeitschrift „Super TV“: Bahnfans machen dem MDR Dampf
Anfang Mai brachte die deutschlandweit erscheinende Fernsehzeitschrift „Super TV“ einen ganzseitigen Bericht über die Aktion – und damit nochmals einen Schub bei den Neueintragungen in der Unterschriftenliste auf der Internetseite. Daß in einer überregionalen Zeitschrift das Thema (ohne Zutun der Initiatoren) aufgegriffen wurde, ist sicherlich den inzwischen über 4000 Zuschauerstimmen zu verdanken, die einen bisher in der deutschen Fernsehgeschichte einmaligen Zuspruch für eine Fernsehsendung zum Ausdruck bringen.
Im Vorgespräch mit dem verantwortlichen Redakteur der „Super TV“ Axel Ehrlich zeigte sich dieser sehr erstaunt, daß es keine Protestaktionen „mit Pauken und Trompeten“ gebe. Doch das Konzept, den MDR nicht zu provozieren, sondern die positive Zuschauerbindung der Interessenten der Sendereihe „MDR-Bahnzeit“ herauszustellen, fand schließlich auch er nachvollziehbar. Schließlich gäbe es ja auch beim MDR eisenbahninteressierte Menschen.
Präsenz des Themas in politischen Runden
Eines der wesentlichsten Ziele der Initiatoren kann bereits als „erfüllt“ verbucht werden: Das deutlich wahrnehmbare Votum der im Internet akquirierbaren Eisenbahnfreunde für die Sendung „MDR-Bahnzeit“ und des mit der Sendung praktizierten redaktionellen Konzepts eines Mixes von Eisenbahnthemen mit touristischen Empfehlungen für die jeweilige Region ist bei Entscheidungsträgern (außerhalb des MDR) angekommen. Das Nachstoßen vieler Unterstützer der Aktion mit Briefen, E-Mails und in persönlichen Gesprächen bei Landräten, Bürgermeistern sowie Abgeordneten brachte ein Präsenz der Thematik „Eisenbahn in den Medien“, die bei den Ansprechpartnern unweigerlich im Gedächtnis bleiben mußte. Bei verschiedenen Veranstaltungen im Mai wurde dies deutlich. Die in Sachsen traditionell zu verschiedenen Schwerpunkten veranstalteten parlamentarischen Abende bieten einen guten Ansatzpunkt für die Vertreter der jeweiligen „Wirtschaftsgebiete“ mit den Volksvertretern und Personen aus Verwaltungen und Organisationen ins Gespräch zu kommen. Sowohl die medienpolitische Veranstaltung des MDR in Dresden wie auch der durch den Landestourismusverband Sachsen e.V. (LTV) in Radebeul veranstaltete Abend gingen nicht ohne verschiedentliche Anmerkungen über die Bühne.
In Radebeul nannte es der Präsident des LTV, MdB Andreas Lämmel, in seiner Begrüßungsrede wortwörtlich falsch und kurzsichtig seitens des MDR, die „MDR-Bahnzeit“ einzustellen. Deutliches Raunen im Auditorium und zustimmenden Beifall erntete diese klare Ansage auch in Richtung der anwesenden verantwortlichen Vertreter des Mitteldeutschen Rundfunks. Dort wirkten die Worte eher wie Flohpulver. Insbesondere machte Andreas Lämmel dies daran deutlich, daß es die Bemühungen um eine zielstrebige Verbesserung der touristischen Nutzung der Eisenbahnattraktionen im Freistaat regelrecht konterkarierte.
Aus den Kreisen von anwesenden Rundfunkräten verschiedener Organisationen war zu vernehmen, daß dieses Thema weiterhin in den Gremien des MDR auf der Tagesordnung steht – auch wenn es trotz dieser Bemühungen vielleicht letztendlich nicht mehr „die MDR-Bahnzeit“ geben wird.
Genau dieser Bekanntheitsgrad des Themas „Eisenbahn“ ganz allgemein bei den Entscheidern aus Politik und Verwaltung ist es aber, der berechtigt, von einem Erfolg der Aktion durch die große Zahl der Unterstützer zu sprechen.
„Faszination Dampflok“ – „Auf schmaler Spur“
Mit zwei interessanten Themenüberschriften ging der MDR zu Ostern und Pfingsten ins Rennen, die Eisenbahnfreunde zurück zu den Fernsehern zu holen. Während das Osterprogramm noch weitgehend aus einem Zusammenschnitt von Wiederholungen bestand, war vor und nach Pfingsten die Preßnitztalbahn „auf schmaler Spur“ präsent. Das bekannte Bahnzeit-Produktionsteam um Autor und Redakteur Christian Görzel präsentierte den bewährten Mix aus einer Verknüpfung von Eisenbahn in schönen Bildern mit Landschaft, touristischen Empfehlungen und stimmiger Atmosphäre. Nach den fünf Kurzberichten in der Sendung „Hier ab Vier“ in der Woche vor Pfingsten wurde der etwas erweiterte Zusammenschnitt des Materials gleich im Wochenabstand wiederholt.
Man könnte sich ob dieser Situation schon fast entspannt zurücklehnen – wenn es denn eine genaue Perspektive gäbe. Während „Faszination Dampflok“ den Bogen auch über die Regelspur und dampffreie Eisenbahnen spannte, erscheint rein thematisch „Auf schmaler Spur“ eher beengt. Zwar wurde die Berichterstattung zum Pfingstfest aus Jöhstadt als „erste Sendung unserer neuen Folge“ angekündigt – doch in welchem Zyklus diese zukünftig gesendet werden soll, ist noch nicht nach außen gedrungen.
Der Dank gilt auf jeden Fall den Mitarbeitern des MDR die sich dieses Themas angenommen haben – „Auf schmaler Spur“ kam aus dem gleichen Redaktionsumfeld wie die bei Modelleisenbahnern sehr beliebte (aber auch zu selten gesendete) Sendung „Auf kleiner Spur“. Warum die Redaktion „Wirtschaft“ sich dieses Thema von der Abteilung „Familie/Nachmittag“ aber aus der Hand nehmen lassen hat, ist schwer zu verstehen.
Schwer zu verstehen ist auch nach wie vor die Argumentationslage des MDR. Immer deutlicher wird, daß sich das Management offenbar erst bemüßigt fühlte, sich für die Einstellung der „MDR-Bahnzeit“ eine Begründung zu konstruieren, als der Protest dagegen nicht verebbte. Doch soviel konnte inzwischen nachvollzogen werden: Weder eine „grottenschlechte Quote“ (auf dem eigentlich eisenbahnfanunfreundlichen Sendeplatz) noch „enorme Produktionskosten“ sind nachweisbare Gründe. Rundfunkräte berichten, daß der Fernsehdirektor seit Monaten den geforderten Quotenvergleich schuldig ist. Die Produktionskosten der Sendung dagegen riefen nur ein müdes Lächeln hervor – anstelle mancher MDR-Produktion könnte man die „MDR-Bahnzeit“ für mehrere Jahre geliefert bekommen.
Das ausgestreute „Bahnzeit-Flohpulver“ wirkt – wir werden es weiter in Umlauf halten.
22.06.2010