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Rezensiert: Die Görlitzer Kreisbahn
Wilfried Rettig
Die Görlitzer Kreisbahn
Die Geschichte einer ungewöhnlichen Kleinbahn
EK-Verlag Freiburg 2007 128 A4-Seiten, knapp 200 SW-, 22 Farbfotos sowie knapp 50 Faksimile und Zeichnungen ISBN 10: 3-88255-591-2 ISBN 13: 978-388255-591-2 Preis: 29,80 Euro
Grenzüberschreitend, Zahnstangenbahn, ELNA-Strecke – das sind gleich drei Schlagworte, welche die Aufmerksamkeit von Eisenbahnfreunden garantieren dürften. Ein solches Buch muß interessant sein! Doch wird die Monographie von Wilfried Rettig zur Görlitzer Kreisbahn (Gö.Kr.B.) all diesen Erwartungen gerecht? Der Autor liefert zunächst gewohnt penibel und trotzdem äußerst lesefreundlich formulierte Kapitel zur Eisenbahnsituation in Görlitz sowie zu den Plänen für eine Eisenbahn in die Hochsteiner Berge. Es folgen sauber und liebevoll recherchierte Texte zur 1905 als regelspurige Zahnradbahn eröffneten Linie von Görlitz Kreisbahnhof nach Krischa-Tetta (heute Buchholz). Illustriert werden diese Seiten z. B. mit phantastischen Aufnahmen der Zahnradloks von Carl Bellingrodt. Sie sind – wie alle übrigen Fotos – sauber und gemäß den heutigen technischen Möglichkeiten abgedruckt. Noch vor dem Ersten Weltkrieg hatten es die Gesellschafter der Görlitzer – und damit einer preußisch-schlesischen Kreisbahn – geschafft, ihre Linie nach Weißenberg ins Königreich Sachsen zu verlängern. Seit 1913 endeten die Züge neben dem dortigen Staatsbahnhof an der Linie Löbau – Radibor. Nachdem der Steilstreckenabschnitt am Hilbersdorfer Berg mehr als 30 Jahre lang mit Hilfe des Zahnstangensystems Abt bezwungen worden war, fand der Übergang zum Adhäsionsbetrieb statt. Dazu beschaffte die Gö.Kr.B.) mehrere gemäß des „Engeren Lokomotivausschusses Lokomotiven“ gefertigte Tenderloks– jeder Eisenbahnfreund kennt sie als ELNA. Rettig stellt im Fahrzeugkapitel detailliert Herkunft, technische Besonderheiten und Verbleib der auf der Gö.Kr.B. eingesetzten Maschinen vor. Aber auch Wagenfreunde kommen nicht zu kurz! Ihnen erklärt Rettig z. B. die Funktionsweise der Görlitzer Gewichtsbremse – einer Seilzugbremse, die nicht mit der auf Sachsens Schmalspurbahnen eingesetzten Heberleinbremse verwechselt werden darf. Was würde der Rezensent entsprechend darum geben, in einem Gö.Kr.B.-Zug mitfahren zu können – es ist nicht mehr möglich. Doch nicht nur, weil die Loks und Wagen nicht mehr existieren, sondern auch, weil der Verkehr der ehemaligen GKB längst eingestellt ist und große Teile der Strecke bereits abgebaut sind. Wilfried Rettig weckt mit seinen Beschreibungen der Stationen dennoch Interesse, die ehemaligen Stationen und Orte aufzusuchen. Wie gewohnt liefert er von jedem Bahnhof, aber auch von jedem Anschlußbetrieb Erklärungen und Zeichnungen. Selbst alle Versuche zum Erhalt der Gleise und zum Aufbau eines Museums werden vorgestellt.
Fazit: Ja, Rettig hat es geschafft! Er ist Autor eines sauber gedruckten, stabil gebundenen und hochinteressanten Buches, welches tiefgreifend auf Geschichte, Hochzeit und Niedergang der Görlitzer Kreisbahn eingeht. Dabei werden Heimatfreunde das Werk ebenso schätzen wie „Fremde“ und Fahrzeugpuristen. A. Marks
29.05.2007