Fahrzeuge im Porträt
Diesellokomotive 102 131-0
I. Einführung
Für die Abwicklung des leichten Rangierdienstes hatte die Deutsche Reichsbahn 1968/69 eine Serie von 80 Lokomotiven der Baureihe V23.10 beschafft, eine weitere Lok wurde später angekauft. Diese Lokomotiven beruhten auf der von der Baureihe V15 übernommenen Grundkonzeption und unterschieden sich durch eine auf 220 PS (162 kW) angehobene Dieselmotorleistung. Identisch war bei den Baureihen V15 und V23 der Rahmen mit Aufbau und ein Fahrwerk mit Blindwellenantrieb und einem Achsstand von 2500 mm. Nach mehr als zehn Jahren nutzte die Deutsche Reichsbahn 1968/69 somit die Gelegenheit, um die von V15 und V23 bekannte Grundkonzeption der leichten Rangierlokomotive zu überarbeiten, ohne jedoch in den neuen V23.10 auf bewährte Technik zu verzichten.
II. Technische Beschreibung der BR 102.1
Rahmen, Aufbauten und Fahrwerk wurden vollständig überarbeitet. Dabei wurde der Achsstand von 2500 mm auf 3560 mm vergrößert, um das Laufverhalten der Lok zu verbessern. Der Aufbau wurde etwas kantiger ausgeführt, um offensichtlich die Fertigungskosten optimieren zu können. Erstmals erfolgt der Zugang zum Führerstand nicht mehr durch Seitentüren im Führerhaus, sondern durch eine mittlere Tür im Überhang hinter dem Führerhaus. Die Gesamtlänge der Lok vergrößerte sich dabei ebenfalls von 6940 mm auf 8000 mm. Die Antriebsanlage selbst wurde von der Vorgängerbaureihe V23 übernommen, zum Einsatz kamen ein Dieselmotor 6 VD 18/15-1 SRW mit einer Leistung von 162 kW bei 1500 U/min sowie ein Strömungsgetriebe GSU 20/4,5 mit Anfahr- und Marschwandler. Damit konnten die Lokomotiven eine Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h erreichen. Die Lastentafel sah bei dieser Geschwindigkeit eine Zuglast von 215 t vor, die Grenzlast in der Ebene wurde die neue Baureihe 102.1 wurde mit 555 t festgelegt.
Um die Lokomotiven auch im Streckendienst für leichte Überführungen nutzen zu können, wurden sie erstmals mit einer Sicherheitsfahrschaltung ausgerüstet. Damit konnte für diese Fahrten eine Zweimannbesetzung entfallen. Ein um 100 Liter auf 500 Liter vergrößerter Tank sorgte für eine entsprechende Reichweite. Hatten die leichten Rangierlokomotiven bis dahin eine blaue Farbgebung erhalten, so verließ die neue Baureihe die Potsdamer Fabrikhallen in gelb. Damit sollte die Erkennbarkeit der Lokomotiven im Rangierbetrieb deutlich verbessert werden. Die kantige Form und die postgelbe Farbe brachten der Baureihe nicht zuletzt den Spitznamen „Briefkasten“ ein. Da die Lieferung der Lokomotiven bereits in die Zeit der Umstellung der Triebfahrzeugnummern auf das EDV-System fiel, erhielten sie bereits ab Werk die neuen Lokschilder. In den Jahren 1970/71 wurden immerhin 157 Lokomotiven dieser Baureihe beschafft, die im gesamten Bereich der Deutschen Reichsbahn Verwendung fanden. Ins Westerzgebirge kam die neue Baureihe 1972, als das Bw Aue die ersten 102.1 erhielt. Von zunächst vier Maschinen stieg der Bestand bis 1988 auf acht Loks, die den Rangierdienst in Aue, Schwarzenberg und Annaberg-Buchholz versahen. Der Rückgang im Güterverkehr nach 1990 machte sie hier überflüssig. Einzelne fanden als Werklokomotiven in Ausbesserungswerken oder bei Privatbahnen im leichten Bauzugdienst eine neue Nutzung.
III. Aus dem Betriebseinsatz von 102 131-0
Die Lokomotive 102 131-0 wurde 1970 im VEB Kombinat Luft- und Kältetechnik, Betrieb „Karl Marx“ Babelsberg, dem ehemaligen Lokbau „Karl Marx“, unter der Fabriknummer 265031 hergestellt. Ihre Probefahrten absolvierte sie am 14. August 1970 als Leerfahrt von Drewitz nach Jüterbog und am 19. August 1970 mit einer Zuglast von 221 t von Jüterbog nach Seddin, wobei die planmäßige Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h erreicht wurde. Am 1. September 1970 wurde die Lok an die Deutsche Reichsbahn geliefert und am 7. September 1970 durch die Rbd Dresden indienstgestellt. Beheimatet wurde die Lok zunächst beim Bw Reichenbach (Vogtland). Im August 1980 wurde sie zum benachbarten Betriebsteil Zwickau umgesetzt, wo sie bis zum 24. September 1995 im Einsatz stand. Hier wurde ihr auch 1992 die neue Betriebsnummer 312 131-6 zugeteilt. Bis zum 16. Juli 1998 stand sie in der Zweigniederlassung Reichenbach des Geschäftsbereiches Traktion im Einsatz. Von dort wurde sie mangels Einsatzmöglichkeiten anschließend als Werklok an das Ausbesserungswerk Zwickau abgegeben.
Die Instandhaltung der Lok erfolgte vor Ort durch die Werkstätten in Reichenbach, Zwickau und Glauchau, für größere Instandhaltungsarbeiten erfolgte die Zuführung der Lok zum Raw Halle (Saale). Dort wurde an ihr letztmalig im November 1992 eine V7-Untersuchung vorgenommen. Mit Fristablauf im November 2000 wurde die Lok abgestellt. Eine erneute Hauptuntersuchung scheiterte an der von der DB für das Ausbesserungswerk geplanten Schließung und dem damit bereits eingetretenen Produktionsrückgang in der Instandhaltung von Güterwagen.
IV. 102 131-0 als Museumslok
Ihrer Verschrottung entging die Lok durch die Übernahme in den Fahrzeugbestand des Eisenbahnmuseums Schwarzenberg. Am 30. Mai 2002 konnte nach längeren Verhandlungen der Kaufvertrag abgeschlossen und die Lok ins Eisenbahnmuseum Schwarzenberg umgesetzt werden. Damit bleibt ein Vertreter dieser über 20 Jahre im Erzgebirge heimischen Baureihe der Nachwelt erhalten. Die Lok findet hier als Rangiergerät weiterhin eine sinnvolle Verwendung.
29.07.2005