Eisenbahn-Geschichte
Zur Geschichte des Bahnhofes Schwarzenberg (Teil 1)
Der Bahnhof Schwarzenberg hat in seiner Geschichte zwei größere Umbauten erlebt. Mit der Verlagerung des Güterverkehrs nach Grünstädtel im Jahre 2001 ist von seiner einstigen Größe nicht mehr viel übrig geblieben. Da vom letzten Umbau 1951 inzwischen hervorragendes Bildmaterial von Herrn Janik aus Borthen zur Verfügung gestellt wurde, soll die Gelegenheit genutzt werden, auf die fast 150jährige Geschichte des Bahnhofes zurückzublicken. Im Zuges des Baus der Obererzgebirgischen Eisenbahn wurde 1858 die Station Schwarzenberg - in weiter Entfernung von der Altstadt - als vorläufiger Endpunkt an der Grünhainer Straße errichtet. Eine Weiterführung in Richtung JohanngeorgenstadUKarlsbad war zwar bereits vom Schwarzenberger Bürgermeister Weidauer während des Baues gefordert worden, dem stand zunächst jedoch das enge, windungsreiche Schwarzwassertal im Bereich des Schloßberges entgegen. Eröffnet wurde die Bahnstation am 11. Mai 1858, der öffentliche Bahnverkehr wurde am 15. Mai 1858 aufgenommen. Die Ausstattung des Bahnhofes entsprach dem Status als Endbahnhof der Strecke Zwickau - Schwarzenberg. Der Bahnhof erhielt auf der Südseite ein großzügiges Empfangsgebäude, das in seiner Substanz noch heute erhalten ist und damit zu den ältesten seiner Art in Sachsen zählt. Vor dem Empfangsgebäude lagen auf der Seite der heutigen Bahnsteige parallel fünf Gleise. Das klassische Ende bildete eine Drehscheibe mit etwa 10 m Durchmesser, die genau vor dem noch heute am östlichen Bahnhofsende befindlichen Bahnübergang lag. Gegenüber des Stationsgebäudes befand sich vor der Grünhainer Straße der etwa 60 m lange Güterschuppen. Daneben gab es noch ein eingleisiges, zweiständiges Maschinenhaus, einen dazugehörigen Kohlenschuppen, einen Wagenschuppen sowie verschiedene Nebengebäude und eine Laderampe. Wegen der Zunahme des Bahnverkehres mußte das Maschinenhaus in den Jahren 1866/68 auf vier Lokstände erweitert werden.
Noch vor 1873 waren schon bedeutende Erweiterungen ausgeführt worden. So hatte man südlich der (eingleisigen) Strecke in Richtung Zwickau ein langes paralleles Ausziehgleis bis etwa zum Kilometer 0,65 der SZ-Linie erbaut. Von diesem zweigte nach Süden ein Gütergleis ab, das sich nach 100 m teilte und in zwei langen Ladestraßengleisen praktisch auf der Straßenfront des Stationsgebäudes endete. Wenn man so will, liegen hier noch heute Gleise in dieser ursprünglichen Lage. Vor der Gabelung gingen noch zwei kürzere Gleise ab, die nach Erweiterung des Maschinenhauses praktisch zwei neue Lokstände an der bisherigen Rückfront desselben ergaben. An einem der beiden erwähnten langen Ladestraßengleise befand sich eine 180 m lange Seitenladerampe, die als Holzladeplatz deklariert war. Bis zur Eröffnung weiterer Erzgebirgsstrecken in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts besaß der Schwarzenberger Bahnhof enorme Bedeutung im Güterladeverkehr des Westerzgebirges. Der Personenverkehr war hingegen nicht so bedeutend, war doch Reisen noch eher den Begüterten und Geschäftsleuten vorbehalten.
Die Bedeutung des Bahnhofs kommt auch in der Anzahl seiner Beschäftigten zum Ausdruck. Hierfür liegen aus dem Jahr 1871 konkrete Zahlen vor. Danach war die Station Schwarzenberg mit 39 Beschäftigten in der unmittelbaren Stationsverwaltung (davon 16 Beamte und 23 Arbeiter) nach Zwickau, Hof, Reichenbach und Plauen der fünftgrößte Bahnhof im Bereich der „Betriebs-Ober-lnspection“ Zwickau. Es entfielen auf den Stationsdienst 23 und auf den Güterdienst 16 Beschäftigte. Ferner gehörten zu Schwarzenberg noch 29 Angestellte im Zugbegleitdienst und elf Beschäftigte im Lokomotivdienst. Alle zusammen unterstanden sie unmittelbar dem Schwarzenberger „Bahnhofs-lnspector“ (Dienstvorsteher).
Für den Bau der Eisenbahnstrecke von Schwarzenberg nach Johanngeorgenstadt, der ab 1881 unter den Bedingungen einer vereinfachten Sekundärbahn erfolgte, kam es zu ersten größeren Umbauten des Bahnhofes. Der alte, 236 m² große Wagenschuppen wurde abgebrochen, anschließend wurden 495 m Gleis und vier Weichen verlegt sowie ein Personeneinstiegsperron von 965 m² Fläche errichtet. Die Drehscheibe vor der heutigen Straße lag noch immer und wies auf den ehemaligen Endbahnhof hin. Die Strecke führte rechts von der Drehscheibe über die Grünhainer Straße, um anschließend über einen Steinviadukt ins Schwarzwassertal abzubiegen. 1889 wurde ferner die Strecke aus (Annaberg-)Buchholz in die Gleisführung des Bahnhofes eingebunden und auf dem Bahnhof gleichzeitig ein neues Verwaltungsgebäude für das „Abtheilungs-lngenieur-Bureau“ mit einem Wirtschaftsgebäude errichtet. 1891 wurde der Bahnhof nochmals um 200 m Gleis und zwei Weichen erweitert.
Der Bahnhofsumbau von 1899 bis 1903
Die allgemeine Zunahme des Verkehrs vor der Jahrhundertwende, aber insbesondere die bevorstehende Eröffnung der böhmischen Anschlußstrecke Johanngeorgenstadt - Karlsbad erforderten aber schließlich eine großzügige Bahnhofserweiterung, die zwischen 1899 und 1903 ausgeführt wurde. Der Sächsische Landtag genehmigte 1898 den Umbau und stellte dafür 1 200 000 Mark bereit. Der alte Güterschuppen auf der Nordseite wurde abgerissen und entstand fast spiegelbildlich auf der Südseite des Empfangsgebäudes neu. Vor ihm waren zu den bereits vorhanden zwei Lade-. straßengleisen zwei weitere Lade- und Abstellgleise hinzugekommen. Dort, wo der alte Güterschuppen gestanden hatte, begann nun ein Inselbahnsteig, der in Richtung Zwickau 200 m Länge aufwies. Zu erreichen war er aus dem Empfangsgebäude heraus durch einen Bahnsteigtunnel. Dem Wunsch der Stadt, den Tunnel bis zur Grünhainer Straße zu verlängern, kam die Generaldirektion der Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen nicht nach. Der Inselbahnsteig war auf 50 m Länge überdacht. Er wurde am 28. Oktober 1902 eingeweiht. Beim Umbau mußte bereits eine Feldbahn erhebliche Transportaufgaben bei der Geländeerstellung bewältigen. Im Bereich der ursprünglich letzten Weichen in Richtung Zwickau führte man umfangreiche Erdarbeiten aus, so daß hier zahlreiche Gütergleise mit mehreren Rangierstraßen entstehen konnten. Vom Einfahrsignal aus Richtung Zwickau bis zur Überquerung der Straße war der Bahnhof 800 m lang geworden. Aus Richtung Zwickau kommend kamen auf der rechten Seiten - etwa 300 m vor Bahnhofsbeginn - noch großzügige Lokbehandlungsanlagen dazu, deren Herzstück der zehnständige Rundlokschuppen bildete - das heutige Eisenbahnmuseum Schwarzenberg des VSE. Am südlichen Rand dieser Anlagen befand sich schließlich noch das Ausziehgleis für den Güterverkehr des Bahnhofs. Insgesamt gab es nach dem Umbau 30 Bahnhofsgleise und an die 70 Weichen. Für den Ortsgüterverkehr betrug nun die nutzbare Gleislänge an der Ladestraße 400 m, vor dem Güterschuppen standen 64 m zur Verfügung, ferner kam noch eine Holzladerampe von 64 m Länge hinzu und eine Kopf- und Seitenladerampe mit 40 m Länge sowie eine besondere 25 m lange Säureladebühne.
Dem Personenverkehr standen der verbliebene Hausbahnsteig und die beiden Gleise des Inselbahnsteiges zur Verfügung. Als Besonderheit des Bahnhofs kann die Privatanschlußgleisanlage am nordöstlichen Bahnhofsrand bezeichnet werden. Hier bestand mindestens seit 1890 im Anschluß an die alte Drehscheibe am östlichen Bahnhofsende, fast rechtwinklig zur Streckenachse, ein Anschlußgleis, welches quer über die Grünhainer Straße verlief. Im Zuge des Bahnhofumbaus errichtete man etwa 10 m weiter nördlich eine neue 6-Meter-Drehscheibe, die mittels kurzem Stumpfgleis Anschluß an das nördlichste Bahnhofsgleis erhielt. Von der Drehscheibe gingen dann zwei gerade Gleise quer über die Straße zu den Anschlüssen „Auguste Neumann - Grünwaren en gros“ - ca. 60 m lang und „Alfred Schubert - Getreide und Speditionsgeschäft“ - ca. 40 m lang. Wenigstens teilweise ist eines der Anschlußgleise an einer besonders großen Hauseinfahrt in ein Haus an der Grünhainer Straße zu erahnen.
11.12.2004