Fahrzeuge im Porträt
Privatbahngüterwagen GMWE 353 (DR 99-61-15)
Artikel aus der Reihe: Der Interessante Wagenkasten - Folge 13
Wohl auf fast jeder Schmalspurbahn dürfte es einst gedeckte Güterwagen gegeben haben - sie sind so gesehen nichts besonderes. Interessant werden sie erst, wenn vom Typ oder der betreffenden Strecke, wo diese Wagen einst im Einsatz standen, nur noch einige wenige Vertreter existent sind. Freunden der „IG Wagen“ gelang es im Dezember 2003, eine solche Rarität, den Kasten eines ehemals zweiachsigen gedeckten Güterwagens der seit über 30 Jahren stillgelegten Geraer Schmalspurbahn, für das entstehende „Thüringische Schmalspurmuseum“ zu bergen.
I. Vorbemerkung
Die am 12. November 1902 von der gleichnamigen AG eröffnete 31,2 km lange meterspurige Gera-Meuselwitz-Wuitzer Eisenbahn (GMWE) diente anfangs vor allem zum Transport von Kies, Kalk und Braunkohle. Der Reiseverkehr spielte eine untergeordnete Rolle. Nach dem Ersten Weltkrieg waren nicht nur der bauliche Zustand der Bahn, sondern auch deren wirtschaftliche Situation schlecht. Geldentwertung, ständige Tariferhöhungen bei Staats- und Privatbahnen sowie höhere Betriebsausgaben als Einnahmen führten im Oktober 1920 zur Betriebseinstellung. Ein in Gera gegründetes Konsortium übernahm schließlich die GMWE und beschaffte neue leistungsfähige Fahrzeuge. Darunter befanden sich auch sechs zweiachsige gedeckte Güterwagen (Gw), die von der Reichstreuhandgesellschaft gekauft worden waren. Zwei dieser Wagen wiederum entstammten einer Serie von mindestens sieben Stück, die die Breslauer Waggonfabrik Linke-Hofmann (später LHW) 1918 für einen unbekannten Besteller baute. Jedoch wurden alle Wagen an die Heeresfeldbahnen geliefert, nach dem Krieg von den Alliierten beschlagnahmt und in Sammellagern deponiert. Anfang der zwanziger Jahre gelangten dann Fahrzeuge ins Ausland oder wurden an deutsche Bahngesellschaften bzw. Zwischenhändler verkauft. Fünf Gw gelangten so 1922 zur Brohltalbahn an den Rhein (BEG 115-119) und zwei zur GMWE (352 und 353). Die anfangs genannten vier anderen GMWE-Wagen (Nr. 351, 354 bis 356) waren 1918 von der Waggonbaufirma Steinfurt in Königsberg gebaut worden, ein weiterer bauartgleicher Wagen gelangte ebenfalls ins Brohltal (114 ).
II. Technische Daten
Der Rahmen eines Breslauer Wagens bestand aus Li-Profilen, die durch Nietverbindungen Stabilität erhielten. Den Wagenkasten bildete ein eisernes Gestell aus L- und Li-Profilen, das mit waagerecht angebrachten Brettern beplankt war. Auf der einseitigen Bühne konnte die Handspindel der Acht-Klotz-Bremse bedient werden. Ursprünglich kam eine über das Dach geführte Seilzugbremse zum Einsatz, die Wagen 352 und 353 waren ferner als Leitungswagen (Druckluft) hergerichtet. Die Zug- und Stoßvorrichtung bestand aus einer innenliegenden Balancierkupplung und einem Mittelpuffer. Die Länge über Puffer (LüP) der Fahrzeuge betrug 7,20 Meter, der Achsstand 2,60 Meter. Der Wagenkasten besaß eine Länge von 5,50 und eine Breite von 2,30 Meter, die Ladefläche umfaßte 12 Quadratmeter. Bei einem Eigengewicht von 6,32 Tonnen lag das zulässige Ladegewicht bei 10 Tonnen (im Brohltal jedoch bei 15 Tonnen!). Die Königsberger Wagen werden hier nicht behandelt, sie hatten andere Maße und beispielsweise keine Bühne.
III. Betriebseinsatz
Numeriert wurden die sechs Wagen bei der GMWE als 351 bis 356. Mit der Übernahme der Bahn durch die Deutsche Reichsbahn am 1. April 1949 zeichnete man sie zunächst in 10.331 p bis 10.336p um, das „p“ stand dabei in diesem Fall für ein von einer Klein- oder Privatbahn übernommenes Fahrzeug. Ab 1951 erfolgte entsprechend den unterschiedlichen Fristterminen der Wagen eine unplanmäßige Umnumerierung in 99-61-14, -12, -15, -13, -16, -11 ! Alle Wagen dürften bis zur Streckenstillegung im Einsatz gestanden haben, 99-61-12 soll als Bahnhofswagen in Gera-Pforten abgestellt gewesen sein.
IV. Verbleib
Die Aussage in den Quellen /1/ und /3/, daß die gedeckten Güterwagen kurz nach der Betriebseinstellung verschrottet wurden, ist nicht exakt! Die Kästen von 99-61-11, -13 und -16 setzte die DR nach Falkenstein (Vogtland) um. Dort dienten sie im Bw neben dem Aufbau des kombinierten Reisezugwagens 7.0762 der Trusebahn und dem Kasten des sächsischen 3.-Klasse-Wagens der Einheitsbauweise 970- 432 (der heute bei der Museumsbahn Schönheide in Stützengrün-Bürstenfabrik auf seine Reaktivierung hofft) als Lagerschuppen. 1996 wurden die 3 Gw-Kästen jedoch zerlegt.
99-61-12, -14 und -15 wurden von der Rbd Dresden an Dritte verkauft, der erstere 1995 in Gera zerlegt. Der letztgenannte diente ab 1971 der NVA in der Nähe von Aue als Materiallagerschuppen, nebenan standen sächsische GGw und vermutlich - ein besonders bemerkenswertes Teil - der Leichtbau-GG K 3527 (LHB Bautzen 1942) der DRB, welcher nach 1950 bei der Trusebahn als 97-38-11 seinen Dienst als Hilfszug- und gelegentlich als Packwagen versah. Infolge einer spontanen „Aufräumaktion“ fielen außer dem Geraer Gw alle anderen Wagenkästen noch zu DDR-Zeiten dem Schneidbrenner zum Opfer. Nur 99-61-15 konnte kurzfristig von einem Privatmann in einen Nachbarort (Wildbach) gebracht werden und diente hier fortan weiter als Lagerschuppen. Bereits Anfang der neunziger Jahre entdeckte ein Freund der „IG Wagen“ aus dem Rheinland den Kasten zufällig bei einer Fahrt durchs Erzgebirge. Mittlerweile konnte der Gw - da nicht mehr benötigt - von der IG Hirzbergbahn e. V. Arbeitsgruppe Schmalspur, und Freunden der „IG Wagen“ geborgen werden. Großen Dank gebührt dem Verein Historische Feldbahn Dresden e. V. aus Herrenleite bei Pirna: Die Freunde bewältigten mit ihrem S 4000 den Transport des Gw-Kastens nach Georgenthal, wo eine Aufarbeitung langfristig vorgesehen ist.
Erfreulicherweise präsentiert sich der Wagenkasten trotz langer Abstellzeit in einem noch relativ guten Zustand. Noch vorhandene Puffer und weitere Anbauteile bereichern den Kasten - ein seltener Fall!
Mit dem gedeckten Wagen 99-61-15 soll ein weiterer Baustein für ein „Thüringisches Schmalspurmuseum“ der Nachwelt erhalten bleiben. Von den „Bruderfahrzeugen“ im Brohltal wurde 114 (Steinfurt) 1974, 116 nach einem Unfall 1977 und 115 im Sommer 1978 zerlegt. Nummer 119 kaufte 1978 der DEV (Nr. 44, ab 1982 Nr. 144 ), dort ist er seit 1992 aufgearbeitet und im Betriebseinsatz. Wagen 117 und 118 dienen seit 1988 als Gepäck- und Fahrradtransportwagen für den „Vulkan-Expreß“ der Brohltalbahn. Zum ebenfalls noch erhaltenen GMWE-Gw 17 (99-61-01, Verdingen 1901) siehe PK 57, S. 24
Quellen
- /1/ Franz, O./Heinrich. R./Taege. R.: Die Schmalspurbahn Gera-Pforten WuitzMumsdorf, EK-Verlag, Freiburg 1998.
- /2/ Jakubowski: Die Chronik der Brohltalbahn, Verlag Kersting, Niederkassel-Mandorf 1992.
- /3/ Günter König: Beitrag über GMWE in: „Die Museums-Eisenbahn“, Heft 1/1998, Bruchhausen-Vilsen 1998
28.01.2004