Editorial
Liebe Preß’-Kurier-Leser,
folgt man bestimmten „Trends“ im Netz und bringt man dabei eine gewisse Leichtgläubigkeit oder auch Euphorie mit, könnte man schnell zu der Erkenntnis kommen, dass schriftliche Texte für Zeitungen und Zeitschriften bald nur noch von „Künstlicher Intelligenz“ (KI) erzeugt werden. Wogen der Begeisterung wabern durch die diversen elektronischen Medien und nicht selten sind Vertreter des klassischen Journalismus ganz vorn dabei, ihren eigenen Berufsstand in Frage zu prophezeien. Wir können hier einmal ganz deutlich festhalten, dass diese Zeitschrift von lebenden Menschen erarbeitet wird und Dank der Zuarbeiten und Informationen vieler weiterer Menschen entsteht und auch erhalten bleiben wird.
Man sollte neue Technologien nicht per se verteufeln und wegen ihres Potentials zur Veränderung eingefahrener Gleise verdammen. „Künstliche Intelligenz“ als Synonym für Softwaresysteme, deren Fähigkeit darin besteht, Informationszusammenhänge und Datenbestände auf bisher ungeahnter Komplexitätsebene miteinander zu verknüpfen, wird viele neue Möglichkeiten erschließen. Assistenzsysteme haben sich in Autos und vielfach auch im Haushalt bereits eingenistet. Dass man eine „KI“ sehr bald in Fahrplansystemen der Eisenbahn finden wird, ist sehr wahrscheinlich. Mit seiner hochkomplexen Struktur im Allgemeinen, den Einflüssen durch Baustellen, Wetter und Jahreszeiten und nicht zuletzt durch die Wirkung der Menschen sollte die Eisenbahn ein ideales Betätigungsfeld für diese Softwaresysteme sein. Nicht zuletzt waren Fahrplanoptimierungen seit jeher schon anspruchsvolle Herausforderungen im Mathematikstudium.
Dagegen wird es wohl bald erst einmal für Interessierte zur überaus herausfordernden Aufgabe werden, Hochschulen mit einem Fokus auf die Eisenbahn – egal ob Verkehrssystem, Fahrzeugtechnik oder zu baulichen Anlagen – in Deutschland zu finden. Inzwischen mehren sich die Zeichen, dass nach 1992 mit der Abwicklung der universitären Ausbildung der Hochschule für Verkehrswesen in Dresden nun der Kahlschlag bei Instituten und Professuren in der Fläche der Hochschullandschaft weiter geht und nach Haushaltslage der Länder wohl eine Abwicklung dieser Studienfächer ansteht. Nachdem seit Frühjahr 2021 bereits die Professur für Technik spurgeführter Fahrzeuge an der TU Dresden verwaist ist, seit Prof. Günter Löffler in den Ruhestand trat, enden nun nach fast 30 Jahren auch die Forschungs- und Lehrtätigkeiten sowie die Entwicklungsarbeit am Lehrstuhl für Eisenbahnwesen an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg. Der bisherige Lehrstuhlinhaber Prof. Dr.-Ing. Hans-Christoph Thiel – vielen Lesern dieser Zeitschrift durch gelegentliche Beiträge ein Begriff – ging nun im März 2023 ebenfalls in den Ruhestand, eine Neubesetzung des Lehrstuhls ist nicht vorgesehen.
Man kann – in Abwandlung bekannter Lyrikzeilen – sicherlich konstatieren: Das Eisenbahnwesen, es entwickelt sich! Aber in Zukunft werden es junge Menschen wahrscheinlich nur aus historischen Büchern erlernen.
Ein Grund mehr, die Eisenbahn in ihrer Ursprünglichkeit bei funktionierenden Museumsbahnen und durch vielfältige Projekte des Erhalts von technischen Zeugnissen im Bewusstsein zu erhalten und als Wissensbasis auszubauen.
Ein Besuch bei Ihrer nächstgelegenen Museumsbahn, einem Bahnprojekt oder Museum hilft. Machen Sie bitte mit. Glück Auf!
14.04.2023