Nachrichten von der Insel Rügen
Fährschiff „Wittow“ schwimmt wieder
Im September 2016 begingen die Reederei Weiße Flotte und die Rügensche BäderBahn gemeinsam feierlich das Jubiläum „120 Jahre Wittower Fähre“. Am 21. Juli 2017 erreichte der Förderverein zur Erhaltung der Rügenschen Kleinbahnen e. V. nun einen weiteren Meilenstein: Das Fährschiff „Wittow“ wurde im Rahmen seiner umfassenden Aufarbeitung in Barth zu Wasser gelassen.
Rückblick in die Geschichte
Für den Fährbetrieb auf der Nordstrecke zwischen Wittower Fähre und Fährhof beschafften die Rügenschen Kleinbahnen (Rü.K.B.) anno 1896 bei der Stettiner Vulcan-Werft zwei baugleiche Fährschiffe mit Dampfmaschinenantrieb. Diese erhielten die Namen „Wittow“ und „Jasmund“. Bei einer nutzbaren Gleislänge von 22 m war es mit den eingleisigen Fährschiffen möglich, drei Wagen über den an dieser Stelle etwa 350 m breiten „Rassower Strom“, der Verbindung zwischen Breetzer und Wieker Bodden, zu trajektieren. Das Fährdeck konnte über den Bug und das Heck be- und entladen werden. Als zulässige Höchstlast gab der Hersteller 50 t an. Die „Wittow“ wurde regelmäßig als Stammfährschiff eingesetzt, während die „Jasmund“ als Reserve diente. Die Rü.K.B. trennte sich 1912 von ihrem Reserveschiff und beschaffte als Ersatz das Fährschiff „Jasper von Maltzahn“, die spätere „Bergen“. Das Fährschiff „Wittow“ hingegen blieb im Eigentum der Rü.K.B. und wurde weiterhin zwischen den Bahnhöfen Wittower Fähre und Fährhof eingesetzt. Bei im Jahr 1922 vorgenommenen Umbauten wurde die Dampfmaschine durch einen Sauggasmotor ersetzt, der dann wiederum 1937 gegen einen Dieselmotor getauscht wurde. Auch die Deutsche Reichsbahn, welche die einstigen Rü.K.B.-Strecken seit 1949 betrieb, konnte nicht auf das betagte Fährschiff verzichten und setzte es weiter ein. Als die Rbd Greifswald im September 1968 den Betrieb zwischen Fährhof und Altenkirchen einstellte, gingen die beiden Fährschiffe in das Eigentum der „Weißen Flotte“ über. Diese transportierte damit nunmehr nur noch Straßenfahrzeuge sowie Fußgänger. Der stetig zunehmende Pkw-Verkehr erforderte zu Beginn der 1990er Jahre eine wesentlich größere Fähre, die nach dem Neubau der Fähranleger 1994 in Betrieb ging. Die knapp 100 Jahre alte „Wittow“ diente noch einige Zeit als Reserve, das Fährschiff „Bergen“ wurde in Wiek zerlegt.
Rettung und Ausblick
Dieses Schicksal blieb der „Wittow“ erspart. Zunächst gelangte das Fährschiff im Jahr 2005 nach Barth. Dort sollte es eigentlich auf dem Gelände der ehemaligen Zuckerfabrik zu einem Museums-Café umgebaut werden und wurde an Land verbracht. Der Umbau scheiterte jedoch, so dass das historische Fährschiff nach und nach immer mehr vergammelte. Damals wurde der Förderverein zur Erhaltung der Rügenschen Kleinbahnen e. V. auf das Kleinod der Rügener Verkehrsgeschichte aufmerksam. Mit Unterstützung durch den Unternehmer Walter Seidensticker gelangte die „Wittow“ in Vereinseigentum.
Seit 2012 läuft die betriebsfähige Aufarbeitung des mittlerweile über 120 Jahre alten Fährschiffes. Mit der Schiffswerft Rammin in Barth gewann der Förderverein dafür einen kompetenten Partner. Auf dem Gelände hatte die „Weiße Flotte“ bereits früher notwendige Reparaturen an der „Wittow“ ausführen lassen. Nach vollständiger Entkernung des Rumpfes einschließlich des Entfernens von mehreren Tonnen Ausgleichbeton im Kiel sowie einer Demontage aller Aufbauten wurden die aufwendigen Arbeiten an Rumpf und Traversen sowie den dazugehörigen Stützen abgeschlossen. Es folgten das Komplettieren des Schanzkleides sowie der Neubau des Decks und das Einsetzen der Maschinenanlage. Künftig übernimmt jeweils ein aufgearbeiteter Dieselmotor pro Richtung den Antrieb des Fährschiffes. Damit entfallen die aufgrund ihrer Länge störanfälligen Antriebswellen bei nur einem Dieselmotor. In den nächsten Wochen sind nun vorrangig die Aufbauten aufzusetzen. Danach gilt es, dem Schiff mit unendlich vielen Kleinigkeiten schrittweise wieder „Leben“ einzuhauchen und aus ihm ein in sämtlichen Belangen vorzeigbares Schmuckstück zu machen. Alles in allem ein steiniger Weg, der reichlich Kraft und noch mehr Geld verschlungen hat. Das Fährschiff „Wittow“ soll künftig aber nicht nur als Museumsschiff in irgendeinem Hafen interessierte Besucher empfangen, sondern betriebsfähig das Trajektieren von Eisenbahnfahrzeugen erlebbar machen. Parallel konkretisieren sich die Überlegungen zum Umsetzen und Komplettieren eines Fährportals vom Anleger der Wittower Fähre zum Lauterbacher Hafen. Damit könnte am heutigen RüBB-Endpunkt Lauterbach Mole ein räumlicher Zusammenhang von Kleinbahn und Fährschiff hergestellt werden. Natürlich entsteht auch dies nicht von heute auf morgen. Der Förderverein wird dieses Ziel aber fest im Blick behalten und sich Zug um Zug darum kümmern, dass bald weitere Meilensteine folgen werden.
Ein wertvoller Zeitzeuge bekommt dank des außerordentlichen Engagements der Fördervereinsmitglieder ein „zweites Leben“, Unterstützung für die weitere Arbeit des Vereines und für dieses Projekt sind immer gern gesehen.
05.08.2017