Schmalspur- und Museumsbahn-Nachrichten
Waldbahnen in der Slowakei (2)
Der zweite Teil der Osteuropareise führte in den Norden der Slowakei, in die Beskiden an der slowakisch-polnischen Grenze. Die Beskiden schließen als Mittelgebirge den Karpatenbogen ab, von Rumänien ausgehend über die Ukraine und dann westwärts entlang der Grenze zwischen Polen und der Slowakei verlaufend.
Die reichen Wälder der Gegend waren der Grund, hier zu Beginn des 20. Jahrhunderts Waldbahnsysteme zu errichten, um den begehrten Rohstoff Holz bergen zu können. Im Bystrica-Tal nördlich von Žilina (Sillein) hatte bereits 1906 eine Gesellschaft die Genehmigung für die Errichtung einer Waldeisenbahn mit 760 mm Spurweite erhalten. Diese konnte jedoch erst im Laufe des Ersten Weltkrieges gebaut werden. 1917 wurde die Bahn von Oščadnica nach Stará Bystrica eröffnet und 1918 bis Nová Bystrica verlängert (Gesamtlänge 25 km). Auf der davon östlich gelegenen Hochebene zwischen Oravská Lesná, Zákamenné und Lokca wurde fast gleichzeitig ein 760-mm-Waldeisenbahnnetz angelegt. 1918 erhielt die Bahn die Betriebslizenz, das Streckennetz erreichte eine Streckenlänge von 28 km, mit Nebenstrecken sogar 41 km. Dieses Netz besaß jedoch keinen Anschluss an eine Regelspurstrecke, so dass sich der Weitertransport des geschlagenen Holzes schwierig gestaltete. Die Stämme mussten entweder über den Fluss Biela Orava (Weiße Arwa) geflößt oder mit Fuhrwerken über den Bergsattel Prislop transportiert werden. Beiden Bahnen trennten nur wenige Kilometer. 1926 wurde die bestehende Lücke durch einen Streckenneubau von ca. 10 km Länge geschlossen. Die topographischen Verhältnisse erforderten dabei einige spezielle Maßnahmen. Zur Überwindung der 217 m Höhenunterschied zwischen dem Sattel Beskyd und Vychylovka wurden fünf Spitzkehren angelegt. Die Gesamtlänge der nun vereinigten Waldeisenbahnen betrug 61 km, mit den Nebenstrecken 110 km.
Der Fahrzeugpark war bunt zusammengewürfelt, neben Dampflokomotiven der Maschinenfabrik Budapest kamen auch solche von ČKD Prag und der Fa. Henschel zum Einsatz. Von Tanečník bei Oravská Lesná hatten die beladenen Holzwagen zum Beskyd-Sattel hinauf einen Höhenunterschied von 110 m zu bewältigen, eine für Waldeisenbahnen eher ungewöhnliche Lastrichtung. Zwei Lokomotiven schafften es dabei gerade einmal, fünf beladene Drehschemelpaare heraufzuziehen. Der zurückgehende Holzeinschlag und der Ausbau des Straßennetzes führten ab 1969 zur Einstellung des Bahnbetriebes. Bis 1972 wurde das Netz mit Ausnahme des Abschnittes von Vychylovka über die Spitzkehren zum Beskyd-Sattel zurückgebaut. Dieser war 1972 als technisches Denkmal unter Schutz gestellt worden. Nach der Einstellung des Waldbahnbetriebes wurden die Reste im Bystrica-Tal vom Kysuce-Museum in Čadca übernommen. Ab 1974 begann man hier mit dem Aufbau eines Freilichtmuseums. Am Ausgang des Tales wurden verschiedene Gebäude wiederaufgebaut, die aus anderen Orten des Kysuce-Gebietes (dt. Kischütz) hierher umgesetzt wurden. Dazu gehören auch zahlreiche Gebäude, die beim Staudammbau im Bystrica-Tal in den 1980er Jahren unter Wasser gesetzt worden wären. Die Gebäude lassen einen Einblick in das Dorfleben vor über 100 Jahren zu, selbst eine Kirche und ein Gasthof sind auf dem Gelände zu finden. Zwischen 1977 und 1981 wurden 2,7 km der abgebauten Strecke wiedererrichtet, zwischen 1992 und 1995 dann die Strecke zwischen Kubátikovia, Chmúra und Sedlo Beskyd betriebsfähig hergerichtet. Durch Erdrutsche wurde die Strecke jedoch in den Jahren 1998 und 2000 an mehreren Stellen stark beschädigt.
Das Museum bemühte sich um die Übernahme von Fahrzeugmaterial anderer slowakischer Waldbahnen, die so der Nachwelt erhalten blieben. Ursprünglich hatte die Museums-Waldbahn einen provisorischen Holzschuppen erhalten, um die Fahrzeuge witterungsgeschützt unterstellen zu können. 1988 brannte dieser Lokschuppen nieder, dabei wurden auch einige Lokomotiven schwer beschädigt. 1995 konnte der neu errichtete massive Lokschuppen in Betrieb genommen werden. Einige Loks warten aber noch auf ihre Restaurierung. Gefahren wird derzeit zwischen dem Haltepunkt Skanzen (Freilichtmuseum) und der ersten Spitzkehre bei Chmúra, da alle anderen Streckenabschnitte wegen technischer Mängel gesperrt sind. Die Waldbahn von Oravská Lesná lag jedoch jenseits der Kreisgrenze. Erst als 1992 ein Abkommen zwischen dem Orava-Museum in Dolný Kubin und dem Kysuce-Museum in Čadca geschlossen wurde, konnte die komplette Erneuerung der erhaltenen Strecken in Angriff genommen werde. 2008 wurde dann die Strecke vom Bahnhof Tanečník zum Beskyd-Sattel eröffnet. Seit 2011 verfügt die Waldbahn Oravská Lesná zudem über die Dampflokomotive „Gontkulak“. Die Lok wurde 1928 von ČKD in Prag gebaut und an die Waldeisenbahn ausgeliefert. Hier tat sie bis 1972 ihren Dienst und beförderte auch die Abbauzüge. Anschließend wurde sie in Žilina und Vychylovka hinterstellt. 2011 konnte die Lok in Krnov (Jägerndorf) aufgearbeitet werden, wonach sie ihre Probefahrten auf der nahen Schmalspurbahn von Třemešná nach Osoblaha (Röwersdorf – Hotzenplotz) absolvierte. Seitdem steht sie als Originalfahrzeug auf ihrer ursprünglichen Strecke wieder im Dienst. Ende 2013 erlitt sie jedoch einen Kesselschaden, dessen Instandsetzung wohl etwas dauern wird. Als Ersatz müssen solange die Dieselloks vom Typ DH100 herhalten. Falk Thomas
Fahrzeugliste Vychylovka: • U34.901, Cn2t, Budapest 2282/1916, ex Čierny Balog • U45.901, Dn2t, Budapest 4281/1916, abgestellt • Lok 20, Dn2t, Krauss-Maffei 15791/1940, abgestellt nach Brand • Lok 21, Dn2t, Henschel 20615/1926, abgestellt in Chmúra • Cn2t, ČKD 2612/1948, Denkmal • „Gontkulak“, 15233, Dn2t, ČKD 1441/1928, in Oravská Lesná
Weitere Info: www.kysuckemuzeum.sk www.oravskemuzeum.sk
18.02.2014