Fahrzeuge im Porträt
Die „Wiedergeburt“ der Schnellzugdampflokomotive 01 0509-8
Das erste „Leben“ als 01 143
Im Jahre 1935 stellte die Deutsche Reichsbahn die unter der Fabriknummer 1426 von der Firma Krupp gefertigte Schnellzuglokomotive 01 143 in Dienst. Erste Einsatzstelle der aus der vierten von fünf Lieferserien stammenden Lok war das Bahnbetriebswerk Offenburg. Insgesamt 231 Stück dieser Schlepptenderlokomotiven der Baureihe 01 kamen zwischen 1926 und 1938 zur Deutschen Reichsbahn, die diese für den Schnellzugverkehr bis 130 km/h einsetzte.Bis zur Inbetriebnahme der weiterentwickelten Baureihe 01.10 war die Baureihe 01 das „Aushängeschild“ der Eisenbahn in Deutschland. Nach dem Zweiten Weltkrieg verblieb die 01 143 in der sowjetisch besetzten Zone und wurde von der DR in der DDR weiterhin für den Schnellzugverkehr eingesetzt. Auf der Basis der ab 1925 gebauten Einheits-Schnellzuglokbaureihe 01 konzipierte die Deutsche Reichsbahn Anfang der 1960er Jahre eine Hochleistungsdampflok, die noch für längere Zeit im schweren Schnellzugdienst in der DDR sowie bis in die Nachbarländer hinein eingesetzt werden konnte. Im Reichsbahnausbesserungswerk (Raw) Meiningen sollten unter Verwendung von Teilen aus Loks der Baureihe 01 der vierten und fünften Bauserie insgesamt 35 Maschinen grundlegend modernisiert werden – wie bei allen Rekonstruktionsprogrammen der Reichsbahn war der „Wiederverwendungsanteil“ aber überschaubar.
Unter Regie der VES-M (Versuchs- und Entwicklungsstelle Maschinenwirtschaft) Halle der Deutschen Reichsbahn erfolgte ab 1962 die erste Rekonstruktion einer 01 in Meiningen zur neuen Baureihe 01.5. Durch einen neukonstruierten Kessel wurde die Leistungsfähigkeit der Lokomotive spürbar gesteigert, zahlreiche weitere technische Veränderungen sorgten insgesamt für eine deutliche Verbesserung der Einsatzparameter und Überschreitung der avisierten Einsatzdauer von zwei Untersuchungsperioden. Die ersten 18 Lokomotiven der insgesamt 35 Stück umfassenden Rekobaureihe 01.5 wurden noch mit Rostfeuerung ausgeliefert, ab 01 519 bekamen die Loks bereits ab Werk eine Ölhauptfeuerung. Die kohlegefeuerten 01.5 wurden später zum großen Teil damit nachgerüstet.
Die Baureihe „Nulleinsfünf“
Bei der Deutschen Reichsbahn erwarben sich die Loks der Baureihe 01.5 sehr schnell den Status der „Flaggschiffe“ im Fahrzeugenpark. Kein Wunder, denn die 35 Maschinen beeindruckten nicht nur durch ihr außergewöhnliches Aussehen, sondern auch in Sachen Leistungsfähigkeit gab es in Deutschland – Ost wie West – nur wenige Dampflokomotiven, die sich mit der 01.5 messen konnten. Viele Eisenbahnfreunde verbinden mit ihr die irgendwann einmal ge-wonnene Liebe und Begeisterung für die große und kleine Eisenbahn in der Zeit des unauf¬haltsamen Abschiedes von der Dampflok. Die Reko-01 sorgte aber nicht nur auf den Gleisen der DR für Aufmerksamkeit – seit Frühjahr 1963 zogen die 24,35 m langen, imposanten Maschinen auch in den Bundesbahn-Wendebahnhöfen des Interzonen-Verkehrs in Bebra, Hamburg und Helmstedt neugierige Blicke und wachsendes Interesse vieler Eisenbahnfreunde jenseits der trennenden Grenze auf sich. Vielen Eisenbahnfreunden sind aber auch noch die unvergesslichen Fahrten der in Erfurt stationierten Maschinen hinauf nach Hönebach oder die mit 120 km/h durch die Landschaften donnernden Schnellzüge zwischen Berlin und Dresden in Erinnerung. Die Loks sorgten immer für beachtliche Aufmerksamkeit am Bahnsteig, so daß der Reisende sofort das Gefühl hatte, „jetzt kommt mein Zug“.
Die „große Unterhaltung“ der Baureihe 01.5 fand stets im Raw Meiningen statt. Man setzte dabei das bei Dampflokomotiven sonst eher selten praktizierbare Verfahren des Großkomponententauschs an. Tauschkessel und Tauschradsatzgruppen wurde von Anfang an bei fälligen Kessel- und Hauptuntersuchungen vorgehalten Zwei zusätzliche Kessel sorgten für den notwendigen „Vorrat“, während die zuletzt ausgebauten Teile für den nächsten Einsatz wieder aufgearbeitet wurden.
Als die Reko-01 ab Juni 1973 aufgrund des DB-Dampflokverbots nicht mehr „in den Westen “ fahren durfte, wurde Thüringen mit der letzten großen Dampflokhochburg, dem Bahnbetriebswerk Saalfeld, zur Pilgerstätte vieler Eisenbahnfreunde aus aller Welt. Von hier aus kamen Loks der Baureihe 01.5 bis 1981 zum Einsatz, zuletzt meist vor Eil- und Personenzügen. Anfang der achtziger Jahre beheimatete aber auch das Bw Güsten in der Rbd Magdeburg mehrere Öl-01.5. Da die Öl-Krise um die DDR keinen Bogen machte, wurde jedoch 1982 schließlich Lok für Lok abgestellt. Die letzten regulär von ölgefeuerten 01.5 geführten Züge gab es in der Rbd Magdeburg. Hier endete am 29. September 1982 mit dem letzten planmäßigen Einsatz der 01 511 und 512 vom Bw Güsten die eigentliche Einsatzgeschichte der Reko-01 bei der Deutschen Reichsbahn. Da sie nun nicht mehr gebraucht wurde, stand auch für die Baureihe 01.5 das Schicksal schon fest: Verschrottung.
Fast 30 Jahre sind seit dem Ausscheiden der letzten Reko-01er aus dem aktiven Betriebsdienst vergangen. Doch noch immer gehört die Baureihe 01.5 zu den populärsten deutschen Dampflokomotiven. Diesem ungebrochenen Interesse der Öffentlichkeit an der Reko-01 ist vermutlich der Erhalt gleich mehrerer Lokomotiven dieses Typs zu verdanken. Aufgrund des Engagements von Eisenbahnfreunden in Ost und West existieren bis heute insgesamt noch fünf 01.5.
Den Anfang bei der Erhaltung der Baureihe 01.5 für die Nachwelt machten Eisenbahner der DR, indem sie die 01 531 vor der Verschrottung bewahrten. Ab 1984 erinnerte die Lok vom Bw Saalfeld im Status einer Traditionslok an die große Zeit dieser Maschinen. Noch im selben Jahr durfte 01 514 nach Westdeutschland ausreisen, 01 509 folgte ein Jahr später. Schließlich eröffnete die politische Wende in der DDR die bis dahin für unwahrscheinlich gehaltene Möglichkeit, den beiden schrottreifen Heizlokomotiven 01 519 und 533 durch den Neuaufbau ebenfalls ein „zweites Leben“ zu schenken.
01 509 bei der Deutschen Reichsbahn
1962/63 entstand aus 01 143 im Raw Meiningen die Rekolok 01 509. Ihre Abnahme erfolgte am 20. September 1963, der nachträgliche Umbau auf Ölfeuerung am 31. Oktober 1965. Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre erreichte die hauptsächlich im schweren Schnellzugdienst eingesetzte Maschine monatliche Laufleistungen zwischen 12 500 und 22 000 Kilometer.
Die 01 509 begann ihre „Laufbahn“ von 1963 bis 1967 im Bw Erfurt. Nach einem kurzen Einsatz im Bw Saalfeld setzte man sie von 1968 bis 1976 im Bw Wittenberge ein. Danach gab es kurze Gastspiele in den Bahnbetriebswerken Saalfeld, Wittenberge (bis 1976), Pasewalk und ab September 1979 Schwerin – hier zum Teil als Heizlokomotive. Ihr Reichsbahn-Schicksal endete auf den Abstellgleisen des Bahnhofes Meyenburg, wo sie bis 1985 abgestellt blieb. Zwecks beabsichtigten Verkaufes in die Bundesrepublik Deutschland wurde sie im Januar 1985 zu einer L7 ins Raw Meiningen überführt.
Im Betriebsbuch sind folgende ausgeführte Arbeiten dokumentiert:
Instandhaltungsstufe L7 vom 26.02.85 bis 30.06.85. Lok in allen Teilen untersucht und aufgearbeitet. Radsätze und Rahmen vollvermessen. Achs- und Stangenlager mit WM 80 ausgegossen. Schieberbuchsen ausgedreht. Linker + rechter Zylinder ausgebohrt. Pufferträger ersetzt. Lichtmaschine, Strahlpumpe, Luftpumpe und Speisepumpe angebaut. Bremsrevision sowie Grund- und Deckanstrich ausgeführt. Am 23. Juli 1985 verließ die 01 0509-8 das Gebiet der DDR im Schlepp von 216 220–4 über Bebra. Nach der Abnahme durch die Deutsche Bundesbahn wurde sie im April 1986 erstmalig durch die Ulmer Eisenbahnfreunde auf der privaten Albtalbahn in Baden-Württemberg, später überwiegend von Passau aus in Österreich eingesetzt. Auf den Gleisen der Bundesbahn galt zu diesem Zeitpunkt noch das bekannte Dampflokfahrverbot.
Nach ihrer zweiten Fahrzeuguntersuchung als Museumslok Anfang der 1990er Jahre – wiederum in Meiningen – erhielt 01 509 auch die Zulassung, auf Strecken der Bundesbahn bzw. Deutschen Bahn fahren zu können. Es folgten Einsätze von Passau, Nürnberg und Heilbronn aus.
Ein weiterer „Lebensabschnitt“
Seit 2007 ist die 01 0509-8 im Fahrzeugbestand der Eisenbahn-Bau- und Betriebsgesellschaft Pressnitztalbahn mbH (PRESS). Die Lok wurde ab 2008 im Dampflokwerk Meiningen einer sehr umfassenden Aufarbeitung unterzogen. Durch die PRESS wird die Lok in den nächsten Jahren vorrangig wieder in ihrem ursprünglichen Heimatgebiet eingesetzt – aber sie wird sicherlich auch zu Gasteinsätzen in anderen Regionen Europas zu sehen sein.
Ein gesonderter Beitrag über die Aufarbeitung im Dampflokwerk Meiningen und über die ersten Einsätze folgt in einer der nächsten Ausgaben des PK
05.04.2010