Schmalspurbahn-Geschichte
Das Ferienlager Putbus des Rba Bautzen - Teil 1
Vorbemerkung
Mit Bergung der letzten Wagenkästen im Spätherbst 2008 verschwanden die letzten Spuren eines interessanten Stücks (D)DR-Feriengeschichte. In unmittelbarer Nachbarschaft des Putbuser Kleinbahnhofes gab es über Jahrzehnte eine bahntypisch geprägte Anlage in Sachen „Betriebsferienwesen“. Insgesamt acht schmalspurige Wagenkästen bildeten über mehrere Jahrzehnte eine Ferienlageranlage, die wegen ihrer Bestandteile heute nur Erstaunen hervorrufen kann. Zwar wurde die Anlage erst seit 2001 schrittweise demontiert, doch kurioserweise gibt es bisher kaum zusammengefaßte Erkenntnisse. Diese „Wissenslücke“ sollte in den letzten Monaten von verschiedenen Stellen aus angegangen werden.
Spurensuche und erste Rechercheergebnisse
Erste Forschungsbemühungen auf der Insel Rügen liefen weitgehend ins Leere, denn weder Eisenbahnfreunde vor Ort noch Kundige der Regionalgeschichte interessierten sich in früheren Zeiten offenbar vordringlich für das ehemalige Ferienlager in Putbus, lediglich die Wagenkästen als solche standen in den letzten Jahren immer mal wieder im Blickpunkt der einschlägigen Publikationen. Über Hintergründe zur Entstehung der „Wagenburg“, den Betriebsalltag in der Ferienzeit oder auch Hinweise zur Nutzung der einzelnen Bereiche der Anlage waren keine Informationen zu erhalten. Auch ältere Personale des „Rasenden Rolands“ interessierten sich damals offensichtlich nicht dafür, was während des Sommers hinter der Grenze des Bahnhofsareals passierte. Erst Mitte der 1990er Jahre nahm der Förderverein zur Erhaltung der Rügenschen Kleinbahnen e.V. die Anlage quasi in Besitz und interessierte sich zeitweilig auch für die Rudimente der ehemaligen Schmalspurwagen.
Ein anderer Ansatz zur Informationsgewinnung führte nach Ostsachsen, war die Betriebsberufsschule (BBS) Schirgiswalde des Reichsbahnamtes (Rba) Bautzen doch als Nutzer der Anlage bekannt. Irgendwer mußte doch mit dem Ferienlager in Putbus zu tun gehabt haben. Über den Kontakt zum Verein „Ostsächsische Eisenbahnfreunde e.V.“ (OSEF) aus Löbau konnte dann schließlich aber doch erstes Licht ins Dunkel gebracht werden und Kontakt zu ehemaligen Mitarbeitern der Berufsschule aufgenommen werden. Hans von Polenz recherchierte die historischen Informationen, indem er verschiedene Zeitzeugen ermittelte und befragte sowie leihweise auch privates Fotomaterial für diese Veröffentlichung beschaffen konnte. Ihm gilt an dieser Stelle daher ganz besonderer Dank!
Entstehung des Ferienlagers
Das Ferienlager entstand wahrscheinlich im Zeitraum 1969/1970 und wurde anfangs noch als Zeltlager betrieben. Die ursprüngliche Obstwiese wurde vom damaligen Vorsteher der Lokeinsatzstelle Putbus zur Verfügung gestellt. Auf dieser Wiese entstand dann später das Ferienlager aus ausgemusterten Schmalspurwagen. Verwendung fanden dabei ausrangierte Wagenkästen. Da nach der Einstellung der Strecke Altefähr – Garz – Putbus zahlreiche Wagen überzählig waren, liegt es nahe, daß Entscheidungsträgern der Deutschen Reichsbahn die anderweitige Nutzung der Wagenkästen in den Sinn kam. Die Wagen wurden entsprechend umbaut und waren dadurch teilweise erst bei genauem Hinsehen als solche erkennbar. Ob es sich um Reichsbahn-Gartenland handelte oder das Gelände tatsächlich erworben werden mußte, ist bislang nicht geklärt. Rechtsträger dürfte die Abteilung Recht der Reichsbahndirektion (Rbd) Cottbus gewesen sein, die BBS des Rba Bautzen war nur der Nutzer und für die Erhaltung der geschaffenen Einrichtungen zuständig. Hierfür wurden Finanzmittel aus dem sogenannten „Sozial- und Kulturfonds der DR“ zur Verfügung gestellt.
Zum Aufbau des Ferienlagers wurde ein Baugleis auf die Wiese gelegt, über das die zunächst fünf Wagen des Hauptkomplexes mit Winden bis an die vorgesehene Stelle gezogen und auf Betonschwellen gestellt wurden. In den Folgejahren erfolgten dann noch einige Erweiterungen des Ferienlagers. Die Arbeiten zur Aufstellung der Wagenkästen wurden überwiegend von den zur BBS gehörenden Lehrmeistern des Reichsbahnausbesserungswerkes (Görlitz-) Schlauroth und ihren Lehrlingen geleistet. Erkenntnisse über die Einbeziehung der örtlichen DR-Dienststellen auf der Insel Rügen für diese Arbeiten gibt es bisher nicht.
Das Lagergelände
Das Ferienlager bestand zuletzt aus acht Wagenkästen, wobei davon auszugehen ist, daß der Aufbau der „Wagenburg“ bereits Mitte der 1970er Jahre weitestgehend abgeschlossen war. Dazu gab es zwei weitere Schuppen. Das gesamte Areal war ähnlich einer mittelalterlichen „Wagenburg“ gestaltet, im Inneren des Karrees gab es einen größeren freien Platz, der sich über die Jahre jedoch mit mehreren Nadelbäumen füllte. Die befestigten Flächen im Gelände wurden für Freizeitaktivitäten genutzt.
Das Hauptgebäude des Lagers bestand aus fünf Wagenkästen, die mit einem großen Wellblech-Spitzdach überdacht waren. In der Mitte des sich dadurch ergebenden Gebäudes von rund 40 x 8 Metern wurde ein Vorraum gebildet, an den beiden Stirnseiten gab es jeweils eine verglaste Veranda, die als Gemeinschafts- und Speiseraum genutzt wurden. Von allen fünf ehemaligen Personenwagen waren die Bühnen entfernt worden. Die drei äußeren Kästen, die ehemaligen Personenwagen 970-764, 970-755 und 970-214, standen mit der Fensterfront nach außen. Sie wurden als Schlafräume mit längsseits angeordneten Doppelstockbetten genutzt. Es ist davon auszugehen, daß darin maximal acht bis zehn Betten pro Wagenkasten Platz fanden (da ja auch noch Spinde und Stühle zur üblichen Mindestausstattung einer Ferienunterkunft gehörten). Der Wagenkasten des ehemaligen Sitzwagens 970-751 beherbergte die Küche, während der andere innere Wagen, der ehemalige 970-775, als Küchenlager genutzt wurde.
Das zweite „Gebäude“, zwischen dem großen Hauptgebäude und den Bahnhofsgleisanlagen gelegen, wurde aus den Wagenkästen des ehemaligen Güterwagens Gw 97-42-58 und des kombinierten Gepäck- und Sitzwagens 974-451 gebildet. In letzterem diente das frühere Gepäckabteil als Lagerraum, während das vormalige Reisendenabteil in zwei Toilettenbereiche umgewidmet wurde. Über die Ausstattung der Lagertoiletten ist bisher nichts bekannt. Der ehemalige Güterwagen war als Waschraum ausgerüstet worden, auch hier wurde an der vorherigen Laderaumöffnung zwischen „Männlein“ und „Weiblein“ unterschieden. Beide Kästen waren fast vollständig mit Wellblech verkleidet. Im Zwischenraum zwischen den beiden Wagen dürften sich die Wasser- und Abwasserinstallationen, ggf. auch Warmwasserboiler, befunden haben.
Ein achter Wagenkasten, der ehemalige sächsische Gepäckwagen 974-501’ , befand sich direkt rechts neben dem Zugang zum Lager von der verlängerten Ladestraße des Schmalspurbahnhofes von Putbus aus. Dieser Wagen war Kultur- und Fernsehraum für das Lager und soll auch eine Kegelbahn beherbergt haben, wobei sich aus der Länge des Wagenkastens ergibt, daß diese Nutzungen wohl nicht zeitgleich möglich gewesen sind. Dieser Wagen war ebenfalls mit einem Wellblechspitzdach versehen, auch die Stirnseiten waren mit Wellblech verkleidet. Das Lagergelände wurde durch zwei weitere Wellblechschuppen ergänzt, wobei nur für einen die Nutzung als Küche und Lager bekannt ist. Inwieweit der zwischen „Sanitärtrakt“ und Bahnhofsgleisanlagen noch befindliche Wellblechschuppen jemals für das Ferienlagergelände von Bedeutung war, ist bisher nicht bekannt.
Das Lagergelände hatte ungefähre Abmessungen von 60 Metern in der Breite und 35 Metern in der Tiefe. Ein Zugang bestand nur von der Ladestraße des Schmalspurbahnhofes. An der Rückseite des Geländes grenzte eine Kleingartenanlage an, die beiden seitlichen Nachbarflächen waren verwilderte und sumpfige Bereiche.
Quellen und Informationen
Der Beitrag stellt den aktuellen Stand der verfügbaren Informationen dar und ist Resultat intensiver Recherchen. Berücksichtigung fanden im Beitrag auch Informationen und Hinweise aus Eintragungen bei www.schmalspurbahn-forum.de, speziell die Beiträge vom 19.7., 14.9., 2.10. und 26.11.2008, an denen verschiedene Autoren mitwirkten.
Ein besonderer Dank für Recherchen und Informationen geht an: Alfred Simm, Hans von Polenz, Helmut Hirche, Wolfgang Prucha, André Marks, Sven Hoyer und Volker Krehut. Zur Bergung, Aufarbeitung und zum Betriebseinsatz der Fahrzeuge 970-751 und 970-214 gibt es Berichterstattungen in zahlreichen Ausgaben des „Preß´-Kurier“.
Literaturhinweis für weiterführende Informationen zu den Fahrzeugen:
Rainer Fischer, Sven Hoyer, Joachim Schulz: Die Wagen der sächsischen Sekundärbahnen, EK-Verlag, Freiburg i. Br. 1998.
Für alle, die sich die genaue Lage des ehemaligen Ferienlagers bei GoogleEarth anschauen wollen, hier die Geokoordinaten: 54°21’28.65” Nord, 13°28’55.80” Ost Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses dieser Seite hat Google einen Kartenstand von 2001 abgebildet. Im Dach des „Hauptgebäudes“ ist das Loch nach der Entnahme des Kastens von 970-751 gut auszumachen. Weiterführende Informationen von Lesern sind natürlich gern willkommen. Wer hat eigene Erinnerungen an das Ferienlager, kann Erlebnisse oder Fotos dazu beisteuern, die letzten noch ungeklärten „Geheimnisse“ zu lüften? Die Autoren bitten um eine Information an redaktion@presskurier.de
Im 2. Teil des Berichts im PK 108 (3/2009):
- Nutzung des Ferienlagers
- Das Lagergelände in den 1990er Jahren
- Die Rückkehr der Wagen
05.04.2009