Schmalspurbahnen in Europa
Romney, Hythe & Dymchurch Railway
Die kleinste öffentliche Eisenbahn der Welt …
… ist sie mit ihrer 381-mm-Spur natürlich nicht, gibt es doch zum Beispiel im Osten Englands mit der Wells and Walsingham Light Railway auf 260 mm Spurweite tatsächlich noch eine kleinere, doch schmückte sich die „Romney, Hythe & Dymchurch Raillway“ im Süden Englands in der Grafschaft Kent viele Jahre lang werbewirksam mit diesem Slogan.
Generationen von Schulkindern und viele Touristen aus dem Ausland und natürlich auch aus Großbritannien kennen, nutzen und lieben sie, die Bahn, die ihren Anfang in der Küstenstadt Hythe, 27 km westlich von Dover, nimmt. Hythe ist eine Stadt mit langer Tradition. Gehörte sie doch zu den Gründern des Städtebundes „Cinque Ports“ (fünf Häfen), der – mit königlichen Privilegien ausgestattet – für den royalen Schiffsverkehr seit dem 12. Jahrhundert verantwortlich war. Zu diesem Bund gehörten außerdem die Städte Dover, Hastings, Sandwich und Romney. Die Strecke der Eisenbahn ist insgesamt 22,5 km lang, eine für die kleine Spurweite von 15 Zoll (381 mm) sehr große Streckenlänge. Die Bahn endet am Küstenort Dungeness, der für seine Fischerhütten, seine Leuchttürme und vor allem wegen des Atomkraftwerkes bekannt ist. Die Strecke ist durchgängig zweigleisig ausgebaut worden, so daß Halte für Zugkreuzungen entfallen.
Bau der Eisenbahn
Während der 1920er Jahre wurde die Eisenbahn von den beiden Millionären und Rennfahrern Captain J. E. P. Howey und Count Louis Zborowski gebaut, nachdem sie vorher bei dem Versuch, die ebenfalls 381-mm-spurige Schmalspurbahn Ravenglass & Eskdale Railway zu übernehmen, gescheitert waren. Die beiden Exzentriker wollten sich damit einen Kindheitstraum erfüllen, den der Automobil-Ingenieur Zborowski jedoch nicht erfüllt sehen konnte, da er 1924 bei einem Rennunfall in Monza verstarb. Howey realisierte daraufhin das Projekt unter seiner alleinigen Führung. Am 16. Juli 1927 wurde der Betrieb auf der zunächst 14 Kilometer langen Strecke feierlich eröffnet. Von Anfang an war das wichtigste Ziel, mit der Eisenbahn Eisenbahnliebhaberei und Tourismusförderung zu kombinieren. Da Hythe mit der Länge der Strecke von Hythe nach New Romney noch nicht zufrieden war, wurde die Strecke in den nächsten Jahren bis zum Zweiten Weltkrieg bis Dungeness auf rund 23 Kilometer verlängert.
Eine Fahrt auf der Eisenbahn
Die Züge durchqueren die Marschlandschaft an der Küste Südenglands, die von Feldern, Wiesen und Weideflächen durchzogen ist und auf denen Pferde, Rinder und Schafe vom Reichtum hiesiger Züchter zeugen. Unweit zum Landesinneren hin erheben sich die Hügel der South Downs als landschaftlich reizvoller Kontrast zur Marschlandschaft der Küste. Die Züge legen die Gesamtstrecke in 65 Minuten zurück, was einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 21,84 km/h entspricht. Zwischen Hythe und Dungeness halten die Züge in Dymchurch, einem traditionellen Badeort für Familien mit Kindern wegen des ausgedehnten Sandstrandes, in St. Mary’s Bay, einem Haltepunkt an der See, und in New Romney, wo sich im Bahnhofsgebäude der Sitz der Verwaltung der RH & DR befindet. Die sehenswerte Modellbahnausstellung im Bahnhofsgebäude sollte man auf keinem Fall verpassen. Weiter geht die Fahrt über Romney Sands, einem Haltepunkt unweit einer großen Campinganlage, bis zum Bahnhof Dungeness. Hier ist eine Gleisschleife zum Wenden der Züge in Richtung Hythe. In den Bahnhöfen Hythe und New Romney befinden sich manuell zu bedienende Drehscheiben zum Drehen der Lokomotiven. Auch die Signalanlagen entsprechen denen in Großbritannien und Nordirland geltenden Standards, nur eben im Verhältnis 3:1.
Von Anfang an erfreute sich die Eisenbahn bei Jung und Alt sehr großer Beliebtheit.
Während des Zweiten Weltkrieges spielte die Eisenbahn eine strategische Rolle zur Abwehr einer vermeintlichen deutschen Invasion, wie auch zur Abwehr deutscher Luftangriffe auf die Südküste Englands. So war ein bewaffneter Zug mit gepanzerter Lokomotive (Lokomotive „Hercules“) eingesetzt, der auch strategische Punkte der Verteidigung wie Flugplätze und Befestigungen bediente. Teile der Strecken und Bahnhöfe sind infolge deutscher Luftangriffe in den Jahren 1940 bis 1944 zerstört und beschädigt worden und wurden nach dem Krieg von deutschen Kriegsgefangenen wieder aufgebaut. Heute ist die Eisenbahn ein wichtiger Teil der Tourismusindustrie an der Südküste Englands. Die Züge verkehren saisonal sehr unterschiedlich. So existiert von Mai bis Oktober teilweise ein Ein-Stunden-Takt, während im Ferienmonat August und an den Wochenenden im Juli die Züge zwischen Hythe und Dungeness aller 40 Minuten verkehren. Besonders beliebt bei Groß und Klein sind die „Santa Specials“ an den Adventswochenenden im Dezember und während der Weihnachtsfeiertage. Während der übrigen Zeit des Jahres hat die Eisenbahn eine wichtige Funktion bei der Beförderung von Schülerinnen und Schülern zu übernehmen. Dazu gibt es für die einzelnen Schuljahrgänge spezielle Waggons. In dieser Zeit verkehren auch die Züge an den Wochenenden nachmittags nur zeitweise zwischen New Romney und Dungeness.
Lokomotiven
Alle Lokomotiven sind Nachbauten berühmter Dampflokomotiven Englands und des Auslandes im Maßstab von 3:1 und dokumentieren den Stand dieser Technik der zwanziger und dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts. So sind fünf Dampflokomotiven, die „Green Goddess“, „Northern Chief“, „Southern Maid“, „Typhoon“ und „Hurricane“, maßstabsgetreue Nachbauten der 2’C’1-Schnellzuglokomotive „Flying Scotsman“ der London & North Eastern Railway, die zwischen London King’s Cross Station und Edinburgh verkehrte. Die Lokomotiven „Hercules“ und „Samson“ sind von der Konstruktion her ähnlich, verfügen aber über die Achsfolge 2’D1’. Die amerikanischen Bauarten repräsentieren die beiden 2’C’1 Pacific-Loks „Winston Churchill“ mit weinrotem Anstrich und „Dr. Syn“ mit schwarzem Outfit. Auch zwei Lokomotiven deutscher Herkunft sind im Fahrzeugpark vertreten: die Lokomotiven „The Bug“, ein B-Kuppler, und „Black Prince“, die der Baureihe 01 der Deutschen Reichsbahn entspricht. Während die englischen Dampflokomotiven bei Davey Paxman & Co in Colchester und bei der Yorkshire Engine Company in Sheffield zwischen 1925 und 1931 gebaut worden sind, stammen die deutschen Lokomotiven von Krupp in Essen (Baujahr 1937) sowie von Krauss & Maffei in München (Baujahr 1926). Die neuere Generation von Diesellokomotiven repräsentieren die 1983 und 1989 bei der TMA Engeneering gebauten BoBo-Lokomotiven. Sie erhielten einen blau-silbernen Anstrich und die Namen „John Southland“ und „Captain Howey“. Sie verkehren vor allem im wöchentlichen Schülerverkehr. Die Reisezugwagen sind natürlich dem Maßstab der Lokomotiven angepaßt worden. Neben den normalen Reisezugwagen mit 16 oder 20 Sitzplätzen in weinrotem Anstrich kann auch der 1977 aus Anlaß des 75jährigen Bestehens der RH & DR gebaute Salonwagen „Gladys“ gebucht werden. Er ist beheizt und gepolstert, Snacks und Drinks werden angeboten. Daneben kommen Reisezugwagen für Behinderte sowie Gepäckwagen, in denen auch Fahrräder transportiert werden können, zum Einsatz.
Güterverkehr
Von Anfang an war die Strecke vorwiegend für den Personenverkehr gedacht, doch für verschiedene Zwecke wurden auch Güterwagen eingesetzt. 1937 gab es sogar kurzzeitig spezielle Fischwagen, mit denen Fisch vom Hafen Dungeness nach Hythe transportiert wurde. Neben zeitweiligen Transportleistungen für Bauarbeiten entlang der Strecke verfügt die Bahngesellschaft noch heute über die Lizenz, Post- und Paketdienstleistungen zu übernehmen. Für bahninterne Gütertransporte kommen zwei spezielle Flachwagen zum Einsatz.
Eigentümer und Betreiber
Die Eisenbahn gehört der „Romney, Hythe & Dymchurch Railway plc“. Die mehrere hundert Gesellschafter des Unternehmens dürfen kostenfrei mit den Zügen fahren – entscheiden aber jährlich darüber, die Dividende aus dem Ergebnis des Geschäftes in den Erhalt zu reinvestieren. Mit einem Vollzeitpersonal von rund 35 Mitarbeitern, insbesondere für die Unternehmensführung, die Leitung des Bahnbetriebes und technische Aufgaben, wird der Ganzjahresbetrieb auf der Schmalspurbahn gewährleistet. Besonders in den Sommermonaten kommen Teilzeitbeschäftigte sowie zahllose unentgeltlich arbeitende Eisenbahnfreunde als Verstärkung für das Personal dazu. Von den Freiwilligen werden dabei auch fast alle betrieblich notwendigen Aufgaben wahrgenommen.
Jeder Schmalspurfreund sollte den Besuch der Romney, Hythe & Dymchurch Railway neben dem Besuch zahlloser historischer Stätten an der Südküste Englands bei einem Aufenthalt auf der Insel unbedingt einplanen. Es bleibt zu hoffen, daß dieser außergewöhnlichen Eisenbahn ein langer Weiterbetrieb beschieden ist.
Redaktionell ergänzt durch Informationen aus:
Autor: Wikipedia contributors. Seite „Romney, Hythe and Dymchurch Railway“. In: Wikipedia, The Free Encyclopedia. Bearbeitungsstand: 29 January 2009 21:42 UTC. URL: http://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Romney,_ Hythe_and_Dymchurch_Railway&oldid=267272659 (Abgerufen: 31. Januar 2009, 15:41 UTC)
07.02.2009