Kommentar
Gedanken zum Verhältnis zwischen Eisenbahnvereinen und Eisenbahnfreunden
Seit nunmehr 15 Jahren dürfen sich Eisenbahnfreunde auch in Sachsen frei von jeglicher staatlicher Willkür nach dem deutschen Vereinsrecht zusammenschließen, um gemeinsam für den Erhalt von Sachzeugen der Verkehrsgeschichte tätig zu werden. Großes, anfangs Unvorstellbares ist seitdem Realität geworden. Wo teils nur wenige Jahre zuvor noch mit Tränen und Ohnmacht Abschied von Schmalspurbahnen genommen wurde, dampft es heute wieder.
Wer hat Anfang 1989 ernsthaft daran geglaubt, daß in Jöhstadt, Schönheide oder Carlsfeld je wieder eine IV K unterwegs sein wird? Doch auch in anderen Spurbreiten gab es Überraschungen – die Waldeisenbahn Muskau und die Bergwerksbahnen seien hier stellvertretend genannt. Gemeinsam mit den noch immer regulär befahrenen 750-mm-Linien und den Museumsaktivitäten in Rittersgrün, Wilsdruff, im Schwarzbachtal oder z. B. in Löthain haben die wiederaufgebauten Bahnen und Bahnhöfe unser sächsisches Heimatland zur Schmalspuradresse Nummer 1 in Deutschland gemacht.
Sowohl Freistaat als auch die Landkreise erkannten recht schnell das damit verbundene große wirtschaftliche Potential, einerseits Touristen in die jeweiligen Regionen zu locken und andererseits durch die Bindung der ehrenamtlich Tätigen an ihre Projekte den Gebieten eine weitere, ständige Einnahmequelle in Gaststätten und Gewerbe zu sichern. Belächelten anfangs Einheimische und Anwohnern die oft von anderswo stammenden Enthusiasten, die emsig Schienen, windschiefe Wagenkästen oder rostige Lokomotiven zusammentrugen, so waren sie dann doch begeistert dabei, als es galt, ein erstes Gleisstück im Packwagen oder offenen Aussichtswagen zurückzulegen; vor liebevoll restaurierten Bahnhofsgebäuden gemütlich ein Bier zu trinken. Die „Eisenbahnverrückten“ wurden akzeptiert, ihr Werk Ziel wochenendlicher Ausflüge, stolzes Aushängeschild vor Verwandten und Bekannten von anderswo.
Vorruheständler, die in den schweren Nachkriegsjahren in der DDR mit Schmalspurbahnen aufgewachsen sind, Großeltern mit ihren Enkeln, Naturfreunde, Ausflügler, Urlauber und allgemein Technikinteressierte bilden heute die größte Klientel der Museen und Museumsbahnen. Sie sind das treue Publikum, auf das kein Verein verzichten kann.
Doch was sich jüngst im Schmalspurbahn-Forum ein Vorstandsmitglied eines Museumsbahnvereins erlaubte von sich zu geben, sollte nicht unkommentiert bleiben. Sinngemäß äußerte der Betreffende (Name der PK-Redaktion bekannt) z. B.: „Für Nietenzähler und ständige Besserwisser haben wir die Bahn keinesfalls aufgebaut“, „Von Fotografen finanziert sich keine HU“ oder „Auf euren Besuch kann ich verzichten!“ Da solche Sätze ihre eigene Sprache sprechen, kann auf Spekulationen über den geistigen Horizont des Urhebers getrost verzichtet werden. Stattdessen gehört der Betreffende einmal mehr mit der Nase auf verschiedene Hintergründe gestoßen: Sollte sich sein Verein tatsächlich nur zum Selbstzweck seiner Mitglieder beschäftigen, gehört ihm die Gemeinnützigkeit aberkannt. Sollte sein Verein der Meinung sein, einer mit Geldern des Denkmalschutzamtes aufgearbeiteten Museumslokomotive vorbildwidrige und gesetzlich nicht geforderte Anbauten, „Zierstreifen“ oder andere „Verschönerungen“ verpassen zu müssen, sind die gezahlten Fördergelder zurückzuzahlen. Und sollten sich seine unflätigen Bemerkungen gegen Eisenbahnfreunde herumsprechen, so gehört der Betreffende aufgrund vereinsschädigenden Verhaltens ausgeschlossen. Immerhin sind es die Eisenbahnfreunde, die mit ihrer Mundpropaganda einen keinesfalls zu vernachlässigenden Teil „normaler Fahrgäste“ werben, die mit ihren Fotos auf die Bahn aufmerksam machen, die – entgegen aller gegenteiligen Behauptungen – nicht nur oft die Strecke besuchen und fotografieren, sondern auch regelmäßig in den Zügen, in den neu aufgearbeiteten Wagen mitfahren. Es sind die Eisenbahnfreunde, die teils großzügig beim Fahrkartenkauf aufrunden, es sind die Eisenbahnfreunde, die durch den Kauf von Büchern, Zeitschriften oder Aufklebern die Vereinskasse aufbessern, es sind Eisenbahnfreunde, die regelmäßig Geld in die Spendenlaterne fallen lassen. Es sind aber auch Eisenbahnfreunde, die weiteste Anreisewege gezielt auf sich nehmen, um verschiedene Fahrzeuge, Strecken oder Museen zu besuchen. Und schließlich sind auch „die Jungen“, die einmal in die Fußstapfen der heute aktiven Vereinsmitglieder treten, nichts anderes als Eisenbahnfreunde! Mitglieder von Eisenbahnvereinen, die nicht in ihrem Verein organisierte Eisenbahnfreunde geringschätzen, sollten sich entsprechend nicht nur im Winter warm anziehen. Es könnten harte Zeiten kommen.
27.05.2005