Editorial
Liebe Preß’-Kurier-Leser,
es ist schwer, Optimismus zu zeigen, wenn in Europa wieder Krieg herrscht. Ein Grund für Optimismus dürfte das Ende der meisten Corona-Beschränkungen bieten, auch wenn die Pandemie noch nicht vorbei ist. Doch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat Konsequenzen, denen man sich auch in einer Zeitschrift mit Fokus auf das Eisenbahnhobby nicht entziehen kann. Vielfältige Bezüge und vielleicht auch persönliche Bekanntschaften führen unsere Gedanken unweigerlich in diese Richtung.
Richard Hartmanns Sohn Gustav gründete im Mai 1896 in Lugansk im Osten der heutigen Ukraine eine Lokomotiven- und Maschinenfabrik, deren späteren Produkte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als wummernde Großdiesel von den Strecken der Deutschen Reichsbahn nicht wegzudenken waren. Viele Eisenbahnfreunde besuchten in den vergangenen Jahrzehnten die in der ehemaligen Sowjetrepublik noch existierenden Schmalspurbahnen, auch wir berichteten hier zum Beispiel in einem Beitrag in der Ausgabe 142 von der Borschatalbahn. Mit der Ukraine verbanden wir bisher zudem den Begriff der „Kornkammer Europas“, historische Städte und Bezugspunkte zur Geschichte unseres Kontinents, aber auch durch Tschernobyl Zeugnis der menschengemachten Katastrophe beim Umgang mit der Atomenergie. Welche Verluste an Menschenleben und kulturhistorisch wertvollen Sachzeugnissen nach dem Krieg zu beklagen sein werden, kann und mag sich momentan noch keiner ausmalen. Von den Auswirkungen einer etwaigen weiteren Eskalation in Europa ganz zu schweigen. Unmittelbare Effekte werden die Sanktionen gegen Russland auch für unseren Alltag haben. Bald werden auch Auswirkungen auf die Lieferströme abseits von Gas, Öl oder Kohle wieder einmal offenbaren, wie sehr wir in einer vernetzten Welt voneinander abhängig sind.
Nur noch die in öffentlichen Verkehrsmitteln zu tragende Maske soll nun das letzte Erinnerungsstück an eine zweijährige Pandemie sein. Der entstandene Schaden aus 24 Monaten sollte aber gut in Erinnerung bleiben, um eine neue Welle im Herbst mit der Rückkehr von Einschränkungsmaßnahmen zu vermeiden. Die Hoffnung besteht, dass die Menschen diese Masken auch weiter als Bestandteil zum Selbstschutz und dem Schutz anderer benutzen. Die Ausrichter freuen sich, ihre Veranstaltungen wieder planen zu können, ohne auf Teilnahmebeschränkungen und Abstandsregeln Rücksicht nehmen zu müssen. Sehnsüchtig werden Gäste erwartet, denn die waren eine lange Zeit ausgesperrt. Das bietet Grund zum Optimismus und lässt die Herzen der Eisenbahnfreunde höherschlagen. Selbst Jubiläen der vergangenen beiden Jahre werden nun noch nachgeholt, so dass an manchen Wochenenden viele parallel stattfindende Veranstaltungen geradezu kannibalisierend um die Gunst der Besucher ringen. Bei den Eisenbahnen, Museen und durch rührige Vereine getragenen Projekten und Attraktionen stehen in den kommenden Monaten unzählige Aktivitäten auf dem Programm. Dazu müssen auch die eigenen Mitglieder und Unterstützer reaktiviert sowie das Interesse für das Hobby neu geweckt werden. Zwei Jahre zum (fast) Nichtstun verdammt zu sein, bedeutet auch, dass frühere Interessen aus dem Fokus geraten sind und dafür neu getrommelt werden muss. Wir freuen uns, dass wir hier und mit der Zeitschrift einen Beitrag dazu leisten konnten und können.
Glück Auf
20.04.2022