Editorial
Liebe Preß’-Kurier-Leser,
Dank des Fehlens schlagzeilenträchtiger Wettermeldungen (wenn man von ausbleibendem Schnee und zu wenig Niederschlag absieht) und sonstiger themenverwandter Hiobsbotschaften sei mir hier ein geschichtlicher Blick aufgrund eines anstehenden, aber nicht mehr so präsenten Jubiläums erlaubt:
Zum 1. April 1920, vor nunmehr 100 Jahren, wurden in Folge der Bestimmungen der Weimarer Verfassung vom August 1919 die acht Staatseisenbahnen der deutschen Länder in die „Deutschen Reichseisenbahnen“ überführt, knapp 15 Monate später wurde für diese per Erlass der Name „Deutsche Reichsbahn“ festgelegt. Deutlich länger dauerte die tatsächliche Vereinigung der Bahnen in allen Belangen der Organisation, Technik und betrieblichen Regeln. Beharrungsvermögen, Widerstreben und Besitzstandswahrung waren reichlich präsent, bis sich neue Regeln und Arbeitsweisen durchsetzten. Mithin stellt dieses Ereignis vor 100 Jahren einen Meilenstein der Eisenbahnentwicklung in Deutschland dar, nachdem die in den rund 80 Jahren zuvor betriebene Entwicklung mit starker Expansion der Schienenstränge durch einen zerstörerischen Weltkrieg teils großen Schaden genommen hatte.
In der nun reichsweit vereinten Staatsbahn wurden ab 1920 leistungsfähige Strukturen für die Beförderung von Menschen und für den Transport von Gütern aufgebaut, das Streckennetz ertüchtigt und die Beschaffungsanforderungen für die Lokomotiven und Wagen vereinheitlicht. Bis in die zweite Hälfte der 1930er Jahre kann man das deutsche Eisenbahnwesen als Weltspitze bezeichnen. Dann bildete die Eisenbahn jedoch wieder ein Rückgrat für einen noch viel verheerenderen Krieg. Dessen Konsequenzen sind bekannt und führten in eine geteilte Entwicklung auf unterschiedlichen Pfaden in Ost und West, bis nach 1990 rasch eine neuerliche Vereinigung der zwei deutschen Staatsbahnen möglich wurde.
100 Jahre zentralisierte Eisenbahn in staatlicher Hand in Deutschland zeigen einen extremen technischen Wandel, aber auch unterschiedlichste gesellschaftliche Systeme und damit verbundene Anforderungen an das Transportsystem Eisenbahn. Ein Rückblick auf diese 100 Jahre bietet daher reichlich Raum für Anregungen für künftiges Handeln. An die Geschichte zu erinnern und dabei die düsteren wie auch die positiven Zeiten nicht auszublenden, liegt in der Verantwortung der Eisenbahnmuseen und Museumsbahnen. Ach ja, wir kommen hier nicht ganz ohne aktuellen Bezug aus: 2020 soll in Deutschland „das Jahr der Eisenbahn“ werden, wenn man den Aussagen verschiedener Politiker folgt.
Wir müssen die Darstellung der technischen Möglichkeiten, der handwerklichen Fertigkeiten und nicht zuletzt auch die Lebensumstände der Menschen in diesen historischen Bezügen in den Museen, Erinnerungsstätten und bei den Museumsbahnen als langfristige Aufgabe verstehen und erhalten, brauchen interessierte Menschen, um daran mitzuwirken, und Förderer, die dafür Unterstützung geben. Unser Anspruch beim „Preß´-Kurier“ für 2020 wird darum nicht minder hoch gesetzt: Wir wollen dieser Arbeit „an der Basis“ weiterhin eine größere Wahrnehmung zukommen lassen und von den unzähligen Projekten im Land berichten – gleichwohl aber auch immer wieder den Blick unseren Nachbarn und darüber hinaus zuwenden. Schauen Sie sich doch einmal wieder vor Ort um, welche Zeitzeugen sie aus 100 Jahren deutscher Staatsbahn noch so finden können!
Glück Auf
10.02.2020