Schmalspurbahn-Geschichte
Deutsches Technikmuseum Berlin
Revisionswagen der Oberschlesischen Eisenbahn AG in 785 mm Spurweite
Im Deutschen Technikmuseum Berlin befindet sich seit vielen Jahren ein Schmalspurwagen mit sehr wechselvoller, aber noch nicht lückenlos erforschter Geschichte. Es handelt sich um den 1856 für die Oberschlesische Eisenbahn AG (OSE) gebauten Revisionswagen mit 785 mm Spurweite. Die OSE hatte 1851 damit begonnen, zwischen den oberschlesischen Kohlengruben, Hüttenwerken und Fabriken ein Streckennetz in dieser Spurweite aufzubauen, welches anfangs als Pferdebahn betrieben wurde. 1855/56 gab es die ersten Einsätze von Schmalspurdampflokomotiven, die sich jedoch nicht bewährten. So zogen von 1860 bis 1872 wieder ausschließlich Pferde die 785-mm-Wagen der OSE. Das schmalspurige Gleisnetz der OSE erreichte 1860 eine Länge von ca. 90 km.
Nachdem die ab 1841 gebauten regelspurigen Strecken der OSE (u.a. Breslau – Kattowitz –Myslowitz) 1886 in das Eigentum der Preußischen Staatseisenbahnen übergegangen waren, wechselten zwischen 1884 und 1904 auch die schmalspurigen Strecken der OSE in Staatseigentum, die 1901 summiert 138 km lang waren. An diese Linien schlossen damals andere 785-mm-Strecken mit einer Länge von 208 km an. Die im Deutschen Reich z.B. auch in der Rhein-Sieg-Region weit verbreitete Spurweite von 785 mm wurde um 1900 mehrfach als „preußische Hüttenspur“ bezeichnet. Aber nur die Strecken in Oberschlesien befanden sich jemals in Staatseigentum. Verwaltet wurden sie von der Königlichen Eisenbahn-Direktion (KED) Kattowitz (im November 1918 entfiel das „Königlich“). Ab April 1920 waren sie Bestandteil der Deutschen Reichsbahn bzw. zum Teil der Polnischen Eisenbahnen. Der 1856 gebaute Revisionswagen diente für Überwachungs- und Dienstfahrten. Seine Inneneinrichtung gibt keinen Hinweis darauf, daß der Schmalspurwagen für den öffentlichen Personenverkehr Verwendung gefunden hat. Gedacht ist der Wagen für sechs Personen – drei je Längsseite des Wagens. An jedem Wagenende befindet sich ein Bremsersitz ähnlich eines Kutschbocks, als welche sie auch viele Jahre gedient haben müssen (siehe oben). Durch in die Stirnwände des Wagens eingebaute Fenster konnte aus dem Zweiachser die Strecke beobachtete werden. Nach der Verstaatlichung der letzten schmalspurigen OSE-Linien gelangte das Unikat um 1906 in das am 14. Dezember 1906 im Hamburger Bahnhof in Berlin eröffnete Königliche Verkehrs- und Baumuseum. Der Hersteller des über Puffer 3,5 m langen Wagens ist unbekannt, seine Breite beträgt 1,25 m. Zum Vergleich: Die ersten Sitzwagen der sächsischen 750-mm-Bahnen hatten eine Breite von 1,71 m und einen Länge von 6,52 m.
08.10.2012