Regelspur aktuell
Die Flöhatalbahn
Alte Strecken zu neuem Leben erweckt
Wie in der vorigen Ausgabe des PK angedeutet, sollen nunmehr alle Strecken, die von der Erzgebirgsbahn betrieben werden, hinsichtlich ihres aktuellen Zustandes und ihrer Perspektiven betrachtet werden. Wurde zuletzt die Strecke von Flöha nach Bärenstein und insbesondere die Inbetriebnahme des neuen ESTW in Annaberg Buchholz Süd behandelt, so soll heute die Strecke von Flöha nach Marienberg (ehemalige RF-Linie/Reitzenhain - Flöha) einer näheren Betrachtung unterzogen werden. Dies geschieht im Bewußtsein, daß das Schicksal dieser Bahnstrecke viele Eisenbahnfreunde, aber auch die ortsansässige Bevölkerung besonders durch die Ereignisse der jüngeren Vergangenheit bewegt. Dies gilt insbesondere für den Streckenabschnitt von PockauLengefeld nach Marienberg. Doch eins nach dem anderen: Wie bei allen anderen Strecken, die in die Regie der Erzgebirgsbahn übergegangen sind, waren auch bei dieser Linie die Grundvoraussetzungen - sowohl was den baulichen Zustand als auch das Fahrgastaufkommen betraf- sehr schlecht. Die eh schon geringe Streckengeschwindigkeit von 60 km/h konnte aufgrund des bedenklichen Oberbau- und Brückenzustandes nirgends gefahren werden. Mit durchschnittlich 30 km/h schlich der Zug durch das Flöhatal. Am 1. November 2001 begannen die Bauarbeiten, bei denen etappenweise die Strecke und die Bahnhöfe/Haltepunkte hergerichtet und an die heutigen Bedürfnisse angepaßt wurden. Dabei wurde die Streckengeschwindigkeit auf 80 km/h erhöht. Im Abschnitt zwischen Flöha und Pockau gibt es nunmehr nur noch zwei Bahnhöfe. Der Bahnhof Hetzdorf, der aus verkehrlicher Sicht eher wenig Bedeutung hat, sichert seinen Bestand durch seine Funktion als Kreuzungsbahnhof, aber auch als Grenz- bzw. Übergangsstelle zum ESTW-Bereich ab dem Bahnhof Flöha.
Nachdem die beiden nächsten Betriebsstellen (Hohenfichte und Leubsdorf) bereits vor dem Übergang zur Erzgebirgsbahn zu Haltepunkten zurückgebaut wurden kommt als nächste Betriebsstelle der Kreuzungsbahnhof Grünhainichen-Borstendorf. Der aus früheren Zeiten insbesondere durch die ansassige Papierindustrie bekannte Bahnhof ist heute kaum wiederzuerkennen. Von den ehemals notwendigen Gleisanlagen zu deren Bedienung ein Fahrdienstleiter und ein Weichenwärter notwendig waren , sind heute lediglich zwei Gleise übriggeblieben. Der Einbau von Rückfallweichen macht die Besetzung des Bahnhofes mit örtlichem Betriebspersonal entbehrlich. Hier finden die planmäßigen Kreuzungen statt. Leider befindet sich der Bahnsteig aufgrund der Örtlichkeiten vor der Ausweichstelle, so dass alle Züge zweimal halten müssen (Verkehrshalt und Kreuzungshalt) Die momentan noch vorhandenen ortsbedienten Schranken werden mit Fertigstellung der anliegenden Staatsstraße durch moderne BÜ-Anlagen ersetzt.
Auf dem Weg nach Pockau sind keine weiteren Zugkreuzungen möglich, da auch die nächste Betriebsstelle, Reitland-Wünschendorf, im Zuge der Umbau- und Anpassungsarbeiten zu einem Haltepunkt zurückgebaut wurde. So ist als nächstes der Bahnhof Pockau-Lengefeld zu betrachten. Hier trennen sich die Strecken nach Olbernhau - Grünthal (- Neuhausen) und nach Marienberg (- Reitzenhain). Der Bahnhof Pockau bildet den betrieblichen Mittelpunkt hier sitzt der Zugleiter, der für den Betriebsablauf auf der Gesamtstrecke verantwortlich ist.
Es sei an dieser Stelle auf eine betriebliche Besonderheit hingewiesen. Dem aufmerksamen und interessierten Eisenbahnfreund wird nicht entgangen sein, daß die Strecke zwischen Hetzdorf und Pockau (später auch die nach Olbernhau und Marienberg) im Zugleitbetrieb nach der Fahrdienstvorschrift für Nichtbundeseigene Eisenbahnen (FV-NE) betrieben wird. Dies ist das gleiche Betriebsverfahren, welches heute bei der Preßnitztalbahn Anwendung findet. Die Begründung, daß eine Bundeseigene Eisenbahn nach den Vorschriften einer Nichtbundeseigenen Eisenbahn betrieben wird, liegt im Verhältnis von Ausbau einer Strecke mit Signal- und Sicherungstechnik und der erlaubten Streckengeschwindigkeit. Das heißt, daß mit weniger Aufwand schneller gefahren werden darf, da das Betriebsverfahren für Nichtbundeseigene Eisenbahnen andere Spielräume zuläßt. Kommen wir wieder zum Bahnhof Pockau selbst. Auch hier sind erhebliche Veränderungen im Gange. Wenn diese Arbeiten abgeschlossen sind, wird vom Bahnhof in seiner alten Struktur nichts mehr übrigbleiben. So werden die Gleisanlagen drastisch verkleinert (es bleiben letztlich zwei durchgehende und drei Stumpfgleise sowie acht Weichen übrig). Die alte Signal- und Sicherungstechnik wird durch ein neues modernes Stellwerk (Bauform GS II) der Firma Siemens ersetzt werden. Nach Inbetriebnahme des neuen Stellwerkes können zwei alte Stellwerke abgerissen und Personal eingespart werden. Der Zugverkehr wird sich im Wesentlichen auf der Nordseite des Bahnhofes (Neuhausener Seite) abspielen. Die vorgesehenen Gleise auf der Südseite des Bahnhofes (Marienberger Seite) werden als Stumpfgleise ausgeführt. So kann auf den Bahnübergang innerhalb des Bahnhofes verzichtet werden. Ziel dieses tiefgreifenden Umbaus ist neben der notwendigen Rationalisierung auch die Befreiung des Bahnhofsgebäudes aus seiner bisherigen Insellage. Nach den Vorstellungen der Erzgebirgsbahn könnte das freiwerdende Gelände perspektivisch für einen direkten Zugang von der Stadt zum Bahnhof bzw. für die Errichtung einer modernen Schnittstelle zwischen Bahn und Bus genutzt werden. Verlassen wir nun den Bahnhof Pockau und wenden uns dem Streckenabschnitt zu, dessen Schicksal wie eingangs bereits erwähnt von den Eisenbahnfreunden und der Bevölkerung mit großem Interesse verfolgt wird.
Wie bekannt ist, wurde dieser Abschnitt bei der Hochwasserflut im Jahre 1999 auf weiten Teilen zerstört nachdem sie kurz zuvor auf einigen Abschnitten erneuert worden war. Niemand ist wohl davon ausgegangen, daß auf dieser Strecke jemals wieder ein Zug fahren wird. Erst das beharrliche Interesse des Landkreises und das Engagement der Erzgebirgsbahn bewirkten, daß nunmehr auch deutlich sichtbar die Bauarbeiten zur Beseitigung der Hochwasserschäden an diesem Abschnitt beginnen konnten und zum heutigen Zeitpunkt teilweise abgeschlossen sind. Das große und zugegebenermaßen ehrgeizige Ziel der Erzgebirgsbahn ist es, zum Tag der Sachsen, der dieses Jahr im September in Marienberg gefeiert wird, Eisenbahnbetrieb durchzuführen. Doch der Weg bis dahin ist nicht einfach. Die Erzgebirgsbahn plant bis dahin die Einrichtung eines neuen Haltepunktes „Strobelmühle“, den Umbau eines großen Streckenabschnitts im Bereich des ehemaligen Bahnhof Zöblitz-Pobershau und die Beendigung der Gleisbauarbeiten im Bahnhof Marienberg. In Letzterem werden auch alle bestehenden Nebengleise so hergerichtet, daß sie befahrbar sind. Weitere Rationalisierungen in diesem Bereich sind nicht vorgesehen. Mit der weiteren Vorhaltung dieser Nebnanlagen sollen einem möglichen Güterverkehr Be- und Entladegleise zur Verfügung stehen, zumal ein Strecken bis zum Bahnhof Gelobtland nicht zur Debatte steht. So gibt es bereits jetzt Interesse der Bundeswehr für zukünftige Verlademöglichkeiten für Militärtechnik in Marienberg. Keine Zukunft hat allerdings das Bahnhofsgebäude in Marienberg. Nachdem es seit Jahren leer steht und dem Verfall preisgegeben war, entschloß sich die Stadtverwaltung im Vorfeld des Tages der Sachsen nunmehr zum Abriß des Gebäudes. Die Schaffung eines Parkplatzes und die Einrichtung einer weiteren Schnittstelle zwischen Bus und Bahn sind hier perspektivisch denkbar.
Bleibt am Schluß noch ein Ausblick in die Zukunft der Flöhatalbahn. Der Bestand des Streckenabschnittes Flöha - Pockau scheint gesichert. Im Endausbauzustand werden die Züge hier im Stundentakt fahren. Dies gilt auch für den gut ausgebauten Streckenabschnitt nach Richtung Olbernhau, auf den später gesondert eingegangen werden soll. Nicht ganz so optimal sieht allerdings die Zukunft des Streckenabschnittes nach Marienberg nach dem Tag der Sachsen aus. So wurde unlängst durch den Verkehrsverbund Mittelsachsen der ÖPNV-Verkehr der Relation Pockau - Marienberg abbestellt.
Nun werden Alternativen gesucht, wie ein Verkehr auf diesem Streckenabschnitt gestaltet und finanziert werden kann. Wie Albrecht Kohlsdorf - der Landrat des Mittleren Erzgebirgskreises - darstellte, sei es eine mögliche Lösung, daß der Landkreis selber für den Verkehrsverbund einspringt und als Besteller von Verkehrsleistungen insbesondere zur Abwicklung des Schülerverkehrs auftritt. Allerdings könne der Landkreis keine höheren Mittel zur Verfügung stellen, als er für eine entsprechende Busleistung zur Abwicklung von Schülerverkehr im Kreishaushalt eingeplant hat. Daß diese Mittel nicht ausreichend sind, um einen Eisenbahnbetrieb auch nur annähernd kostendeckend durchzuführen, liegt auf der Hand.
Es bleibt daher nur darauf zu hoffen, daß der Reisezugverkehr von und nach Marienberg von der Bevölkerung so gut angenommen wird , daß den Verantwortlichen in Politik und Verkehrsverbund deren Nutzen deutlich vor Augen geführt und diese Strecke planmäßig bestellt wird. Wollen wir der Erzgebirgsbahn wiederum viel Glück und Erfolg bei der Umsetzung ihrer ehrgeizigen Ziele insbesondere auf dem Weg nach Marienberg wünschen.
27.01.2006