Verkehrspolitik
Eine Betrachtung zum 9-Euro-Ticket: Alles über einen Kamm ist keine Lösung
„Geboren“ wurde die Idee des 9-Euro-Tickets für die Öffentlichkeit ziemlich überraschend. Für die betroffenen Verkehrsunternehmen bedeuteten die politischen Beschlüsse eine besondere Herausforderung, da es weniger als zwei Monate Vorlaufzeit für die Umsetzung dieser Idee gab. Als Teil eines aus drei „Säulen“ bestehenden Entlastungspaketes zusammen mit einer Energiesteuersenkung für die Kraftstoffe an den Tankstellen („Tankrabatt“) und einer Energiepreispauschale für Lohnsteuerzahler, kann man im Nachgang dem „9-Euro-Ticket“ als einzigem Bestandteil sowohl eine echte soziale Wirkung für einen Großteil der Bevölkerung und gleichzeitig eine umweltpolitische Lenkungswirkung zuschreiben.
Die mit allerlei ideologisch anmutender Überfrachtung – insbesondere von Gegnern der Maßnahmen – verbundene Erwartungshaltung, dass das Ticket nur dann als Erfolg gezählt werden könne, wenn es viele Menschen zum dauerhaften Umstieg auf den ÖPNV ermuntere, kann man getrost beiseiteschieben. Dafür war der Angebotszeitraum einfach zu kurz. Auch die gleichzeitig verbreiteten Horrorszenarien von überfüllten Zügen (ja, es gab sie) haben der Attraktivität nicht schaden können.
Gestützt durch eine breite gesellschaftliche Nachfrage zu Vereinfachungen in den bestehenden Tarifsystemen und Preisreduzierungen im ÖPNV, ist eine politische Diskussion über Nachfolgeangebote daher dringend erforderlich. Und doch war von Anfang an die generelle Pauschalisierung des Angebotes auf alle öffentlich subventionierte Verkehre ein Fehler. Dadurch waren privatwirtschaftlich betriebene Verkehrsangebote (z. B. Flix-Bus, Flix-Train) außen vor, während vorwiegend touristisch genutzte Angebote, bei denen es im Sommer kein Nachfrageproblem gibt, automatisch dabei waren (u. a. RüBB und Molli).
Insbesondere, dass den aus gutem Grund mit breitem gesellschaftlichem Konsens bezuschussten dampfbetriebenen Schmalspurbahnen in Sachsen, im Harz oder an der Küste ein derartiger Massenauflauf zugeführt wurde, der betriebswirtschaftlich im Verhältnis von Aufwand und Erlös ein Desaster zu nennen ist, lässt bestenfalls viel Unkenntnis über die Besonderheiten der ÖPNV-Finanzierung bei den politischen Entscheidungsträgern vermuten. Während es beim täglichen Weg zur Arbeit im ÖPNV eines günstigen und einfachen Tarifsystems dringend bedarf, hatte die Möglichkeit, für neun Euro einen Monat quasi ständig Dampfzug fahren zu können, eine fatale Wirkung. Der kulturelle und technische Wert, den die Nutzung eines dampflokbetriebenen Zuges darstellt, ging damit verloren. Welchen Aufwand es bedeutet, diese Technik mit viel personellem Einsatz zu erhalten und zu betreiben, spiegelt dieser Betrag nicht wider. Zudem bleibt letztendlich durch das vom Bund vorgesehene Erstattungsprinzip von Einnahmeausfällen auf Grundlage der Vergleichsrechnung zu den Vorjahren bei den Betreibern viel weniger Geld zur Erhaltung der Technik. Damit zerstört der Anspruch des billigen Tickets die Perspektive für die Zukunft, auch wenn das sicherlich nicht die Absicht war.
Soll es ein Nachfolgeticket geben, dass für einen definierten Zeitraum eine pauschale Nutzung von Verkehrsmitteln als „Flatrate“ ermöglicht, muss hieran unbedingt nachgebessert werden. Dort, wo Menschen einen originären Transportbedarf haben und die Nutzung des Verkehrsmittels auch eine ökologische Lenkungswirkung haben soll, ist ein solches Pauschalangebot sehr sinnvoll. Liegt jedoch der Vorrang des Verkehrsmittels in der touristischen Nutzung oder der technischen Präsentation historischer Beförderungsmittel und ist die Beförderung eher ein sekundärer Zweck, muss man nicht den Wert des Verkehrsmittels durch Subventionierung demontieren.
Dass das funktioniert und trotzdem Fahrgäste den Fahrpreis bereit sind zu zahlen, konnte man übrigens gut bei der Preßnitztalbahn sehen. Die Nörgler über die Nichtanerkennung des „9-Euro-Tickets“ blieben hier extrem in der Minderheit.
06.10.2022