Reisebericht
Eisenbahntouren in Norwegen
Als meine Frau und ich für 2019 einen Norwegenurlaub planten, war für uns klar, dass in den drei Juniwochen natürlich auch die Eisenbahn eine Rolle spielen wird. Und so besuchten wir auf unserer Rundreise durch das Land der Mitternachtssonne vier Eisenbahn-Höhepunkte, von denen das Land noch eine ganze Reihe mehr zu bieten hat. Unsere erste Begegnung mit den Norsk Jernbane (Norwegischen Eisenbahnen) war die für Norwegen schon fast schon obligatorische Fahrt mit der Flåmsbana (Flåmbahn – siehe www.norwaysbest.com/de/flamsbana). Ausgangspunkt und Namensgeberin dieser Gebirgsstrecke ist das fast auf Meereshöhe am Aurlandsfjord in der westnorwegischen Provinz Vestland gelegene Flåm. In der Hauptreisezeit verkehrt die Bahn achtmal täglich in das auf 867 m ü.N.N. gelegene Myrdal. Unterwegs am Kjosfossen erfolgt ein kurzer Fotohalt, bei dem man aussteigen und sich den in der Nähe gelegenen tosenden Wasserfall ansehen kann. Und wer ganz viel Glück hat, kann dabei sogar auf den Felsen tanzende Feen entdecken … von den Bahnbetreibern extra für die Touristen engagiert! Nach einer Fahrt durch 20 Tunnel und einer zurückgelegten Strecke von etwas mehr als 20 km wird Myrdal und damit der Anschluss an die Bergenbahn (Oslo – Bergen) erreicht. Die Flåmbahn gilt mit einer Steigung von bis zu 55 Promille als eine der steilsten Normalspurstrecken der Welt. Heute werden die Züge mit zwei Elloks (je eine an der Spitze sowie am Ende des Zuges) der Reihe El 18 der Vy – dem Nachfolgeunternehmen der Norwegischen Staatsbahnen (NSB) – gefahren. Diese 22 Lokomotiven der Bauart Bo’Bo’ sind an die der schweizerischen Reihe Re 460 angelehnt und wurden 1996/97 von einem Konsortium gebaut, das aus der Schweizerischen Lokomotiven- und Maschinenfabrik (SLM), der ABB Verkehrssysteme AG in Zürich und der norwegischen ABB Strømmens Værksted besteht.
Für die Hin- und Rückfahrt benötigt ein Zug der Flåmbahn etwa zwei Stunden. Wer mit der Flåmbahn fahren will, sollte beachten, dass Flåm nicht nur Anlegestelle für Kreuzfahrtschiffe ist, sondern auch sonst von vielen Touristen aus aller Herren Länder besucht wird. Daher ist aus unserer Sicht besonders der letzte Zug (2019 fuhr dieser 17.25 Uhr ab Flåm) des Tages zu empfehlen. Völlig ausgebuchte Züge im Laufe des Tages standen im Gegensatz zu dem von uns gebuchten, der nur zu etwa 40 % gefüllt war. Tageslicht ist dabei trotzdem garantiert, geht doch die Sonne in Westnorwegen Mitte Juni nicht vor 23 Uhr unter! Als nächstes fuhren wir mit der 1924 in Betrieb gegangenen Raumabane (Raumabahn) von Dombås nach Åndalsnes. Von dem auf 659 m Höhe gelegenen Bahnhof in der Provinz Innlandet ging es auf 114 km abwärts an den fast direkt am Fjord auf 4 m ü. N.N. gelegenen Endbahnhof im nördlichen Vestland. Bei dieser Fahrt mit einem Triebwagen der Reihe 93 ist der Weg im wahrsten Sinne des Wortes das Ziel, folgt doch auf einen atemberaubenden Blick aus dem Abteilfenster gleich der nächste. Unterwegs – etwa 30 km von Åndalsnes entfernt – überquert der Zug den namensgebenden Fluss Rauma auf der „Kylling bru“ (Hühnerbrücke). Diese Steinbogenbrücke ist mit ihrer Höhe von 59 m eine der bekanntesten Eisenbahnbrücken in Norwegen und das vielfotografierte Wahrzeichen der Raumabahn. Allerdings merkt der Reisende im Zug wenig davon, erst eine entsprechende Ansage macht die Fahrgäste auf diese Besonderheit aufmerksam. Von der Abfahrt in Dombås bis zur Rückkehr dahin dauert es knapp vier Stunden, der Aufenthalt in Åndalsnes beträgt dabei ungefähr eine Stunde (Fahrplanauskunft https://entur.no/).
Das in Hamar befindliche Norwegische Eisenbahnmuseum (Norsk Jernbanemuseum – www.jernbanemuseet.no) durfte auf unserer Route natürlich nicht fehlen. Die Ausstellung beinhaltet Exponate aus der gesamten norwegischen Eisenbahngeschichte. Das Museum ist eines der ältesten Eisenbahnmuseen der Welt, die Anfänge der Einrichtung gehen bereits auf das Jahr 1896 zurück. Besonders interessant: Auf einem nur wenige 100 m langen Gleisstück mit der in Sachsen bestens bekannten Spurweite von 750 mm verkehrt in Hamar die Dampflok „URSKOG“, ein 1895 von der Sächsischen Maschinenfabrik vormals Richard Hartmann AG in Chemnitz gebauter C-Kuppler mit seinem kurzen Zug über das Museumsgelände. Die Lok war ursprünglich auf den Urskog-Hølandsbanen (UHB) eingesetzt, also genau dort, wo auch die 99 1594-3 der Preßnitztalbahn als „Bingfoß“ No. 8 von 1977 bis 1984 beheimatet war. Das Museum liegt in Hamar übrigens in unmittelbarer Nähe des Mjösa, dem mit einer Länge von 117 km größten See Norwegens. Darauf verkehrt in den Sommermonaten der Mitte des 19. Jahrhunderts gebaute „Skibladner“, der somit wohl älteste noch eingesetzte Raddampfer der Welt.
Am letzten Tag unseres Norwegenaufenthaltes stand die Fahrt mit einer Museumsbahn auf dem Programm. Das Setesdal (Setestal) ist ein nördlich von Kristiansand gelegenes Tal in Südnorwegen. Ursprünglich verband die Setesdalsbane (Setestalbahn) auf einer Länge von 78 km Kristiansand mit Byglandsfjord im Setestal. Als Spurweite der 1896 fertiggestellten Bahn wurde die in Norwegen früher weitverbreitete Kapspur (1067 mm) gewählt. Die Bahn war für die Industrie des Tals sehr wichtig, konnten doch zum Beispiel Stammholz bzw. daraus gefertigte Produkte transportiert werden. In den 1930er Jahren wurde das Netz zwischen Kristiansand und Grovane im Zuge des Baus der Sørlandsbane (Südlandbahn) von Kristiansand nach Oslo auf Normalspur umgespurt. Seitdem begann die verkürzte Schmalspurbahn nicht mehr in Kristiansand, sondern in Grovane, etwa 20 km außerhalb von Kristiansand. Im Jahr 1962 wurde die Setestalbahn schließlich stillgelegt.
Bei der heutigen Setestalbahn (www.vestagdermuseet.no/setesdalsbanen/) handelt es sich um eine Museumseisenbahn, die zwischen den Bahnhöfen Grovane und Røyknes verkehrt. Die weitgehend dem Fluss Otra folgende Bahn verkörpert mit ihren 8 km den letzten Rest von einst mehr als 1000 Schienen-Kilometern der Kapspur in Norwegen.
Als wir diese Museumsbahn am 23. Juni 2019 besuchten, wurde der unter anderem aus den in Skandinavien weit verbreiteten Teakholzwagen bestehende Personenzug von einer Dampflok des NSB-Typs XXI (Bauart 1’C1’ n2) gezogen. Die Lok – als Nr. 5 bei der Setestalbahn eingereiht – war im Jahr 1901 von der Firma „Thunes mekaniske verksted“, einem Industrieunternehmen in Oslo, gebaut worden. Die Fahrt ist ein „optischer Leckerbissen“, im Tal sind noch viele Relikte der unter Denkmalschutz stehenden Tømmerrenna (Flößerrinne) zu sehen, die einst zum Flößen von Baumstämmen angelegt wurde, heute aber ein beliebter Wanderweg ist. Pünktlich um 11 Uhr startete der Zug in Grovane und erreichte nach einer knapp halbstündigen Fahrt den Endbahnhof in Røyknes. Das Wassernehmen der Lok erinnert betrieblich fast ein wenig an die Situation der Preßnitztalbahn in Steinbach, fährt doch die Lok direkt an den am Wasserturm angebrachten Wasserkran.
Nach einem Aufenthalt von etwa 45 Minuten ging es zurück nach Grovane. Für die Hin- und Rückfahrt muss man eine Reisedauer von ungefähr 1 ¾ Stunden veranschlagen. Für Norwegenreisende, die von Kristiansand aus die Heimreise antreten, eignet sich die Fahrt mit der Setestalbahn auch gut als „letzter Höhepunkt“. Nur 2 ¼ Stunden nach Rückkehr in den Bahnhof Grovane legte unsere Fähre im Hafen von Kristiansand ab. Die Fahrkarten für Flåmbahn, Raumabahn und Setestalbahn haben wir übrigens von Deutschland aus vor Reisebeginn bequem online gebucht.
14.06.2022