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Rezensiert: Die Schmalspurbahn Meißen Triebischtal – Lommatzsch
Wolfram Wagner, Peter Wunderwald, Udo Jankowski
Die Schmalspurbahn Meißen Triebischtal – Lommatzsch
280 Seiten DIN A4, 216 Schwarzweißfotos, 176 Farbfotos und 38 Zeichnungen Wunderwald Bahnbücher, Nossen 2016. ISBN: (keine) Preis: 48,– Euro, zzgl. Versand
Wiederkehrend groß ist die Freude, wenn ein neues Buch aus dem Hause Wunderwald erscheint. Noch größer ist aber auch die Erwartung, wenn es sich um die Überarbeitung einer bereits in einem Buch der Autoren aufgearbeiteten Strecke handelt. Welchen Umfang diese neuerliche Würdigung einer bereits vor fast 45 Jahren eingestellten, nur 20 Kilometer langen und lediglich 63 Jahre lang existierenden Schmalspurstrecke annehmen kann, sieht man auf den ersten Blick: Das Buch aus dem Jahr 1997 wirkt mit seinen 112 Seiten im Format A5 geradezu wie eine Miniatur.
Doch sind es die inhaltlichen Aspekte, die ein wirklich großes Werk ausmachen. Also haben die Herren um Peter Wunderwald noch ein paar weniger bekannte Fotos gefunden, um eine Neuauflage großflächig zu illustrieren? Ja, haben sie – und noch viel mehr dazu! Denn der überwiegende Teil der Bilder sind Erstveröffentlichungen. Aus den Archiven bekannter Sammler wie Tino Eisenkolb hoben sie viele Schätze des Lommatzscher Fotografen Rolf Kluge und von Hans Nitzschke, um nur einige zu nennen. Wie in vorangegangenen Publikationen des Herausgebers ist das Buch üppig gefüllt mit Reproduktionen von Dokumenten wie Fahrplänen, Frachtbriefen, Fahrkarten und Poststempeln sowie Zeichnungen von Bauwerken und Gleisplänen – sogar zwei Extrablätter sind beigelegt. Sie zeigen den Gleisplan des Bahnhofes Meißen Triebischtal und Zeichnungen des sechsachsigen Eichwagens K15008 und seines Gerätewagens K15009. Beide Fahrzeuge stürzten 1949 vom Robschützer Viadukt, dessen Bauzeichnung ebenfalls auf den Beilagen abgebildet ist. Dieser Ingenieurbau war mit 206,95 Metern Sachsens längste Schmalspurbrücke. Doch durch seine Lage sowohl im Bogen als auch im Gefälle stellte er ein betriebliches Risiko dar, das durch vernachlässigte Instandhaltung in den 1960er Jahren noch stieg. Ihn nicht sanieren zu müssen, war einer der Gründe, den Betrieb auf der Strecke ab 1966 einzustellen.
Seit 1972 ruht der Verkehr vollständig auf der einst scherzhaft als „Rübenbahn“ bezeichneten Strecke, auf der immer der Güterverkehr dominierte und die in der Modernisierungs- und Rationalisierungswelle Anfang der 1970er keinerlei Überlebenschance hatte. Umso erstaunlicher ist fast 50 Jahre später die hohe Anzahl noch existenter Relikte, beispielsweise ehemaliger Stationsgebäude. Im Löthainer EG ist sogar ein kleines, aber feines Schmalspurmuseum eingerichtet. Und es ist toll, wie auch mit diesem Buch die Erinnerung an die Bahn am Leben erhalten wird. Das ist vielleicht die schönste Seite der Publikation: Neben vielen technischen, geschichtlichen und betrieblichen Details setzt es den Menschen, die auf dieser Bahn arbeiteten, ein Denkmal, indem sie an vielen Stellen namentlich benannt und in Anekdoten lebendig dargestellt werden. Neben dem großen Bauwerk, das im Buch mehrheitlich als Robschützer, manchmal jedoch auch als Garsebacher Viadukt benannt ist, gab es zwei Trennungsbahnhöfe – einen in Garsebach, wo die Strecke nach Wilsdruff abzweigte, und mit Mertitz Gabelstelle den Anknüpfungspunkt für den Abschnitt nach Döbeln. Somit war der im vorgestellten Buch beschriebene Teil der über 50 Kilometer langen Linie Wilsdruff – Gärtitz (WG-Linie) die Verbindung zwischen dem Schmalspurnetz von Wilsdruff und dem Mügelner Netz. Dementsprechend kamen nicht nur Lokomotiven der Gattung IV K, sondern auch zeitweise VI K-Maschinen zum Einsatz. Soweit möglich, werden diese aufgelistet. Besonderheiten fanden sich im Wagenpark. So gab es regelspurige Rollwagen, auf denen Schmalspurwagen transportiert werden konnten. Betriebliche Besonderheiten gab es auch auf der Gefällestrecke von Löthain nach Garsebach, die mit einer maximalen Neigung von 36,1 ‰ zwar nicht wie geschrieben zu den Steilstrecken (per Definition erst ab 40 ‰), aber sicher zu den Eisenbahnen mit den problematischsten Abschnitten in Sachsen gehörte. Aber solch kleine Unschärfen können keinesfalls den positiven Eindruck dieses wahrlich akribisch recherchierten Werkes trüben. Straßenbahnfreunde kommen mit einem Kapitel zur Meißner Meterspurbahn genau so auf ihre Kosten, wie die Herzen von Modelleisenbahnfreunden bei den vielen maßstabsgetreuen Zeichnungen höher schlagen dürften.
Fazit: Mit diesem Buch wird die Bimmelbahn von Meißen nach Lommatzsch zu einer der besterforschten und mustergültig dokumentierten sächsischen Schmalspurbahnen. Der sehr hochwertige Eindruck sowie eine Repro- und Druckqualität auf der Höhe der Zeit machen dieses Buch, das obendrein kurzweiliges Lesevergnügen bietet, absolut empfehlenswert.
03.02.2017