Editorial
Liebe Preß’-Kurier-Leser,
das Jahr 2017 hat uns bereits einige Wochen gut im Griff, die ersten Veranstaltungen des Festjahres „125 Jahre Preßnitztalbahn – 25 Jahre Museumsbahn“ haben schon guten Anklang gefunden und das „restliche Jahr“ bietet viele weitere interessante Anlaufpunkte für einen Besuch. Nicht unbeabsichtigt sind auch Bezüge zu Jubiläen von Fahrzeugen darin vorgesehen. Vor 25 Jahren kehrte die erste Dampflok nach Jöhstadt zurück, VI K, „Meppel“ oder auch den Dieselloks auf den Schmalspurbahnen sind thematische Sonderveranstaltungen gewidmet.
Interessanterweise wird der Einsatz derartiger Fahrzeuge, die vor vielen Jahrzehnten konstruiert und gebaut worden sind, auch heute noch nicht in Frage gestellt. Wenn sie in einem guten Instandhaltungszustand sind, geprüft werden und die notwendigen Nachweise vorliegen, ist gegen einen weiteren Betriebseinsatz von teils über 100 Jahre alten Fahrzeugen im Regelbetrieb nichts einzuwenden. Können Sie sich diesen Umstand in ein paar Jahrzehnten für heutige „moderne“ Fahrzeuge vorstellen, egal ob auf einem Deck oder auf zweien, egal ob mit Lok davor oder mit verteilter Antriebsleistung im Triebzug oder ggf. auch mit eingebauter „Wackelvorrichtung“? Ich hatte in den vergangenen Wochen viele interessante Gespräche, in denen solche Malheure wie mit den Triebzügen der MRB in Mittelsachsen oder mit weißen Doppeldecker-IC der DB AG kritisch hinterfragt wurden. Können Ingenieure heute solche „Probleme“ nicht mehr im Voraus lösen, muss der Kunde tatsächlich zum „Betatesterlebnisträger“ werden?
Wenn es eine einfache und plakative Antwort gäbe, wäre diese sicherlich schon verwendet worden. Diese gibt es aber nicht, denn die Technik ist nun einmal – teils leider auch in einer vorauseilenden Erwartungshaltung, was der Kunde alles an besonderen Leistungsmerkmalen haben möchten könnte – extrem komplex geworden. Die Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen hatten ein ziemlich einfaches Anforderungsprofil für Fahrzeuge der Schmalspurbahnen, so dass auf allen Strecken prinzipiell die gleichen Loks und Wagen fahren konnten. Doch auch da fällt dem geneigten Betrachter schon auf, dass es z. B. unterschiedliche Abstände der Trittstufen zu den Bahnsteigkanten bei verschiedenen Fahrzeugen gibt (mal davon abgesehen, dass das Problem früher keines war, weil echte Bahnsteigkanten bei den Schmalspurbahnen auch überflüssiger Luxus waren). Es ist also fürwahr kein neues Problem, wenn bestimmte Funktionen heute nicht kompatibel sind. Doch inzwischen werden Fahrzeuge bei der Regelspur auf bestimmte streckenspezifische Besonderheiten „designt“. Universelle Einsetzbarkeit, Flexibilität und Kompatibilität als Hauptvorteil der Eisenbahn gehen somit sukzessive verloren. Schön, wenn man da noch mit einem universell kompatiblem Fahrzeugpark „aus dem Museum“ aushelfen kann. Schauen Sie sich doch einmal wieder vor Ort um, wie Eisenbahn tatsächlich funktionieren kann. Glück Auf
Jörg Müller
03.02.2017